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Jung, brutal, uniformiert
Die Nazipartei »Der III. Weg« tritt bei den Kommunal- und Europawahlen an – und setzt politische Gegner massiv unter Druck
Trommeln im Stile der Hitlerjugend, Pyrotechnik, uniformhafte Kleidung, mehr als 500 Neonazis in Marschformation: Diese Bilder von einem Aufmarsch der Neonazipartei »Der III. Weg« schockierten am 1. Mai. Für viele Menschen, die seit Jahren gegen neonazistische Umtriebe in Sachsen vorgehen, gehören sie seit Langem zur Realität.
Die rechten Kader haben sich im Vogtlandkreis festgesetzt – und terrorisieren Andersdenkende und Gegner. »Gewalt ist ein grundsätzlicher Teil ihrer Ideologie«, sagt Steven Seiffert vom »Kulturbüro Sachsen«, ein Verein der demokratische Akteur*innen in ihrer Arbeit vor Ort mit Beratung und Fortbildungen unterstützt.
Viele Aktivisten aus dem Umfeld des »III. Weges« sind gewaltaffin, mussten bereits Haftstrafen verbüßen. Einschüchterung ist ein Teil ihrer Strategie - beispielsweise durch sogenannte nationale Streifen. Das sind bürgerwehrartige Patrouillen, die dem politischen Gegner und allen, die nicht ins Weltbild der Neonazis passen, Angst machen sollen. Sie suggerieren aber auch: Es gibt hier etwas, vor dem müsst ihr euch fürchten. Der Staat schützt euch davor nicht, also müssen wir das tun.
Es bleibt jedoch nicht bei der reinen Machtdemonstration. Immer wieder mussten sich Aktivisten des »III. Weges« in der Vergangenheit vor Gericht verantworten: Bei einem Dorffest in Bad Kötzting lieferte sich ein Kader Prügeleien mit Gästen und der Polizei. Bei einer Neonazidemonstration in Saalfeld hat eine Gruppe von 80 Anhängern des »III. Wegs« drei Punks brutal angegriffen. In einem Fall eines Brandanschlages auf eine Unterkunft für Geflüchtete seien die Bezüge zur Partei »ermittlungsrelevant«, teilte die Polizei mit.
Ein anderer Fall ist der von Safiye Barthez. Sie war im November 2018 auf einer Demonstration in Wunsiedel, erzählt sie dem »nd«. Mit Freunden demonstrierte sie gegen den dortigen Aufmarsch des »III. Weges«. Die rechten Aktivisten gedenken an diesem Tag gefallenen Wehrmachtssoldaten – ihren »Helden«, wie es damals in der Ankündigung heißt. Barthez demonstriert am Rande der Aufmarschroute. Sie zieht von Straße zu Straße, um den Rechten möglichst oft ihren Unmut zu bekunden.
Ein folgenloser Übergriff
Plötzlich greift ein Ordner der Nazis die Gruppe an. Erst merkt Barthez gar nichts, dass einer ihrer Freunde von hinten geschubst wird. Dann wird ihre Hand verdreht. Sie ist verstaucht, Barthez muss später eine Schiene tragen. In der Situation merkt sie erst einmal nichts. Der Grund: das Adrenalin. Als sie die Polizei dazu holt, reagiert diese zunächst nicht. Sie nimmt nicht die Identität des Angreifers auf, zieht ihn nicht aus der Versammlung heraus. Erst später kann sie eine Anzeige stellen.
Ob wirklich ermittelt wird, weiß sie bis heute nicht. Noch ist keine Anklage erhoben worden, obwohl die Identität des Angreifers inzwischen bekannt ist – ein höherer Funktionär des »III. Weges«, der auch in deren Vorgängerorganisation, dem »Freien Netz Süd«, aktiv war.
Seitdem sie den rechten Kader angezeigt hat, bekommt sie Drohnachrichten: »Bleib das nächste Mal besser zu Hause, sonst wird das Krankenhaus dein neues Zuhause«, schreibt ihr ein »Nils Rekker« auf Facebook. »Wir sind mindestens 50 Mann, die bereit wären, für unsere Kameradschaft dir das Gesicht zu zertrümmern«, schreibt Jens. »Wir warten auf dich an der Haltestelle«, schreibt »Joe«.
Diese Nachricht bekommt Barthez, während sie sich auf einer Demonstration in Feldmochingen gegen eine Rede von Bernd Höcke befindet. Sie muss den Protest unter Polizeigeleit verlassen. Nicht zum ersten Mal. Alle Nachrichten werden von anonym Facebookprofilen an sie verschickt. Die Polizei nimmt die Drohungen durchaus ernst: Beamte der Kripo München besuchen Barthez zu Hause. Sie teilen ihr mit, die Wahrscheinlichkeit, dass ihr auf einer Demonstration etwas passiere, sei hoch.
Eine Gefahr für die Zivilgesellschaft
Dass der »III. Weg« eine Gefahr für zivilgesellschaftlich engagierte Menschen ist, bestätigt auch die sächsische Opferberatung. Sie unterstützt Betroffene rechts motivierter und rassistischer Gewalt. Die Organisation berichtet gegenüber »nd« von Einschüchterungen gegen Menschen, die in der Flüchtlingshilfe aktiv sind. Diese würden als Volksverräter bezeichnet und auf der Straße »freundlich« gegrüßt. Ebenso wird nachgefragt, wie es den Kindern und Frau gehe. Oder ob man sich in der neuen Wohnung eingelebt hätte. Derartige Vorfälle gibt es mehrere, alle unterhalb der Straftatsgrenze und dennoch sehr einschüchternd. Der »III. Weg« will eine Stimmung der Angst erzeugen.
Barthez hat inzwischen eine Klage beim Innenministerium gegen die Polizei eingereicht. Strafvereitelung im Amt, lautet ihr Vorwurf, da die Beamten damals den Täter weder festnehmen noch identifizieren wollten. Der bayrische Innenminister schrieb ihr daraufhin persönlich: »Bei rund 42.000 Beschäftigten können wir Fehlleistungen einzelner Mitarbeiter nie ausschließen. Es liegt uns viel daran, den von ihnen zur Anzeige gebrachten Sachverhalt aufzuklären, deshalb können Sie versichert sein, dass wir dem auch weiter nachgehen werden«, heißt es in dem Schreiben von Joachim Herrmann (CSU).
Seitdem haben sich die Ermittlungsbehörden nicht mehr gemeldet. Gegenüber »nd« bestätigt das Ministerium aber, dass die Ermittlungen noch laufen. Barthez will weiter auf Demonstrationen und Aktionen gegen den »III. Weg« gehen, sich nicht einschüchtern lassen von den Drohungen. Dass Kandidaten des »III. Weges« nun bei den Kommunal- und Europawahlen antreten, ärgert sie trotzdem.
Was erhoffen die Nazis sich von den Wahlen? »Das ist eine Normalisierungsstrategie«, meint Steven Seiffert vom »Kulturbüro Sachsen«. Die Partei hätte kein Interesse an einem demokratischen Prozess. »Es geht ihnen nur darum, sich als normale Politiker zu gerieren«, sagt er »nd«.
Die Normalisierung der faschistischen Kümmerer
Darüber hinaus bedeutet ein Einzug in die regionalen Parlamente auch Zugang zu bestimmten Informationen sowie mehr Möglichkeiten, politische Gegner unter Druck zu setzen. Janina Pfau von der LINKEN im Vogtland hält einen Einzug der Partei in den Stadtrat von Plauen für wahrscheinlich. Damit würde das Mobilisierungspotenzial der Nazis noch weiter steigen. Die Politikerin sieht auch die Behörden unter Druck. Diese müssten endlich entschlossen handeln. Die Nazis würden sich in Plauen zwar als Kümmererpartei inszenieren, ihr Ziel sei aber eindeutig ein faschistischer Staat.
Polizei und Versammlungsbehörde konnten dagegen bisher kein Fehlverhalten bei sich erkennen. »Ich freue mich, dass die Umsetzung des auf Deeskalation beruhenden polizeilichen Einsatzkonzeptes gelungen ist und dass der Blick nach Plauen ein friedliches 1. Mai-Geschehen zeigte«, teilte der polizeiliche Einsatzführer, Polizeioberrat Alexander Beitz, mit. Für die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (LINKE) stellt sich die Frage, »warum eine offene Wiederbetätigung in Ideologie und Form des Nationalsozialismus durch diese Nazikleinstpartei« geduldet werde.
Warum wird kein Verbot der Partei angestrebt, die nicht nur in zahlreichen Publikationen und Äußerungen keinen Hehl daraus, dass sie den Parlamentarismus verachtet, sondern diese Ziele auch mit Gewalt durchsetzt, die gezielt ihre politischen Gegner einschüchtert und bei Andersdenkenden für Angst und Schrecken sorgt?
Für ein Verbotsverfahren ist relevant, ob der »III. Weg« vom Innenministerium als Partei oder als Verein bewertet wird. Die Neonazis haben sich nach dem Verbot der Vorläuferorganisation »Freies Netz Süd« die Form einer Partei auch deshalb gegeben, um sich vor einem erneuten Verbotsverfahren zu schützen.
Um eine Partei zu verbieten, ist das Verhältnis zur Gewalt wichtig und die Frage, ob die Organisation als eine reale Bedrohung für die demokratische Ordnung in Deutschland angesehen wird. Ein solches Verbot ist generell schwierig, aber nicht unmöglich. 1995 wurde vom Bundesinnenministerium auch die nationalsozialistische »Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei« (FAP) nach dem Vereinsrecht verboten. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die FAP keine Partei sei.
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