- Berlin
- Berliner Mietergemeinschaft
Ein linker Verein fehlt
Offiziell unterstützen will die Berliner Mietergemeinschaft das Enteignungs-Begehren nicht
Die Berliner LINKE tut es, der Berliner Mieterverein ebenso wie der Landesbezirk Berlin-Brandenburg der Gewerkschaft ver.di. Auch die Landes-Grünen haben im Mai eine Unterstützung des Volksbegehrens «Deutsche Wohnen & Co enteignen» beschlossen. Nur die Berliner Mietergemeinschaft (BMG) konnte sich bisher nicht zu einer offiziellen Unterstützung der Initiative durchringen, die die Sozialisierung der Bestände renditeorientierter Immobilienunternehmen mit jeweils über 3000 Wohnungen in der Hauptstadt zum Ziel hat.
«Die Berliner Mietergemeinschaft war als eine der Allerersten über das geplante Volksbegehren informiert», heißt es von Seiten von «Deutsche Wohnen & Co enteignen». Die BMG habe «eine Unterstützung der Kampagne entschieden abgelehnt mit dem Verweis, dass durch die Kosten Gelder für den Neubau fehlen würden», so die Aktivisten weiter. Das ist erstaunlich, gilt die Mietergemeinschaft doch als der linke Verein in der Hauptstadt - mit äußerst engagierten Anwälten und starker politischer Haltung.
Fest der Linken 2019: Wie holt man sich die Stadt zurück?
Mietendeckel, Mietpreisbremse oder gleich Enteignung der großem Konzerne wie Deutsche Wohnen? Wohnen als soziale Frage drängt mit Macht aufs politische Parkett. Mit Harald Wolf, Sprecher für Verkehr, Energiewirtschaft, Beteiligungen der Berliner Linksfraktion, mit der Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger und der Gruppe „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ / dasND.de/fdlWohnen
Dossier: Wem gehört die Stadt?
Gegen den Ausverkauf der Wohninfrastruktur und des öffentlichen Raums
Verwertung einer Mieternation
Wie die heutige Situation auf dem deutschen Wohnungsmarkt erschaffen wurde
Die Städte denen, die drin wohnen
Wohnen ist in den Mittelpunkt sozialer Fragen gerückt - wie können Antworten von Links in einer stark befeuerten Debatte aussehen?
nd-Serie: »Muss die Miete immer teurer werden?«
Andrej Holm räumt in einer 2017 von "neues deutschland" und der Rosa-Luxemburg-Stiftung 2017 präsentierten Serie mit Mythen über Wohnungsbau, Wohnungswirtschaft und Mieten auf.
dasnd.de/WohnenHolm
Tatsächlich fanden sich auch im Vereinsorgan, der Zeitschrift «Mieterecho», vor allem skeptische Beiträge zum Thema Enteignungs-Volksbegehren. So wird in der Februar-Ausgabe in einem vom «Ausschuss Immobilien-Aktiengesellschaften» der Mietergemeinschaft verfassten Artikel das Anliegen als «zweifellos richtungsweisender Ansatz» bezeichnet. Allerdings sei dieser Ansatz zugleich problematisch, weil er «die Argumente durch das Nadelöhr juristischer Abwägungen und Verfahren zwängt und dabei milliardenschwere Entschädigungskosten in Kauf nimmt, ohne dass auch nur eine neue Wohnung gebaut würde», heißt es weiter.
«Dem absoluten Mangel an Wohnungen, der den Nährboden der Mietpreistreiberei bereitet, wirken weder eine neue Gemeinnützigkeit und Enteignungskampagnen noch Milieuschutz oder Mietrechtsreformen entgegen, für die es natürlich weiterhin zu kämpfen gilt», so das Fazit des Artikels. Im August 2018 hatte das «Mieterecho» ein Pro und Contra zum Volksbegehren veröffentlicht. Michael Prütz, der selbst im Begehren engagiert ist, hatte das Pro verfasst. «Durch diese Form von Populismus wird - wenn überhaupt - ein Strohfeuer entfacht, das letztendlich in einer Mischung aus Resignation und Wut verglimmen wird», urteilt Redakteur Rainer Balcerowiak, der auch für «nd» schreibt, in seinem Contra.
«Es ist falsch, dass die Berliner Mietergemeinschaft das Volksbegehren nicht unterstützt», betont Joachim Oellerich, Chefredakteur des «Mieterechos» und das Sprachrohr der Berliner Mietergemeinschaft. «In allen unseren Beratungsstellen liegen die Unterschriftenlisten für das Volksbegehren aus», versichert Oellerich. «Die BMG begrüßt die Forderung nach einer Enteignung großer Wohnungskonzerne ausdrücklich. Es ist gut, dass über die Eigentumsfrage in der Wohnungspolitik diskutiert wird. Die Berliner Mietegemeinschaft hatte bereits gegen den Verkauf der GSW durch den rot-roten Senat eindeutig Stellung bezogen, als die neoliberale Politik auch von der PDS (später die LINKE) als alternativlos angesehen wurde.»
«Bis auf einige Einzelmitglieder gibt es also keinerlei Unterstützung durch die BMG», beklagt die Initiative «Deutsche Wohnen & Co enteignen».
«Es wäre wichtig, dass die Berliner Mietergemeinschaft in dieser Frage an der Seite der Berliner Mieterbewegung stünde», sagt Katrin Schmidberger, Wohnungsmarktexpertin der Grünen im Abgeordnetenhaus. «Alle guten Kräfte in der Stadt müssen dabei an einem Strang ziehen», glaubt sie. Die Mietergemeinschaft argumentiere bei ihren Neubauforderungen «fast schon wie die Immobilienlobby»
Tatsächlich rechnet der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen in einem Ende März verbreiteten Flyer vor, dass für die 36 Milliarden Euro Entschädigung der Bau von 300.000 Sozialwohnungen gefördert werden könnte. Die Initiative «Deutsche Wohnen & Co enteignen» geht jedoch davon aus, das unter dem Strich keine Haushaltsgelder fließen müssten. Die Abgeordnete Schmidberger sagt: «Es braucht beides: Neubau und den Schutz von Bestandsmietern.»
Es ist wichtig, dass die Berliner Mietergemeinschaft den kommunalen Wohnungsneubau hochhält«, sagt die Abgeordnete Katalin Gennburg (LINKE). »Wir als LINKE streiten aber zeitgleich für das Sozialisierungs-Volksbegehren und für einen Neuen Kommunalen Wohnungsbau.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.