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  • "Baierischen Räterepublik"

Die ungeliebte Republik

Klaus Stanjek präsentiert eine eindrucksvolle Doku, um das rote München bekannter zu machen

  • Lee Wiegand
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutschland, 1918. Weil sie der preußischen Kriegsfantasie einer letzten, aussichtslosen Entscheidungsschlacht absolut nichts abgewinnen können, meutern in Kiel die Matrosen und bringen einen Stein ins Rollen, der innerhalb weniger Tage die deutsche Monarchie zu Fall bringt. Auch im Königreich Bayern überschlagen sich die Ereignisse. Zunächst wird unter Kurt Eisner (USPD) ein Freistaat ausgerufen, dessen erster Präsident er Ende 1918 wird. Kurz vor seinem - resigniert geplanten - Rücktritt, wird er von einem Nationalisten erschossen. Dem anschließenden Chaos entspringt das erste sozialistische Projekt auf deutschem Boden.

Dass ausgerechnet in Bayern, wenn auch nur für kurze Zeit, eine Räterepublik entsteht, scheint bei einem Blick auf die zeitgenössische politische Landschaft unvorstellbar. Nach einem Monat wird der Traum von einer besseren Welt von Freikorps und Reichswehr blutig beendet und gerät in Vergessenheit. Bayern wird zu einer rechtsextremen »Ordnungszelle«, in der auch der Hitlerfaschismus seine Wurzeln hat.

In den 70er Jahren interviewten junge Filmschaffende, darunter der Sozialanthropologe und Dokumentarfilmer Klaus Stanjek, sechs Zeitzeugen, die die Ereignisse 1918/19 unmittelbar miterlebt hatten. Leider verschwanden die Aufnahmen zunächst im Archiv, Stanjek hatte erst in diesem Jahr die Möglichkeit, einen Film aus dem Material zusammenzuschneiden, den er »Rote Räte« nannte.

Nach dem Mord an Eisner geht es im neuen Freistaat drunter und drüber. Zunächst wählt die Mehrheits-SPD im März 1919 Johannes Hoffmann zum nachfolgenden Ministerpräsidenten, der aber im Angesicht einer weiteren revolutionärem Erhebung mit seinem Kabinett nach Bamberg flieht. Beflügelt von Nachrichten aus Ungarn, wo Béla Kun soeben eine sozialistische Räterepublik ausgerufen hat, bekommen die bayerischen Räte neuen Auftrieb. Auch in München wird eine Räterepublik ausgerufen, gleichzeitig hofft man auf einen revolutionären Umsturz in Österreich. Man träumt von einer sozialistischen Achse Bayern-Österreich-Ungarn-Russland. Doch überraschenderweise spricht sich die KPD gegen die Räterepublik aus. Die Partei schickt Eugen Leviné nach München. Er erklärt, man lehne es ab, »der Sündenbock für die Dummheit« der Sozialdemokratie zu sein, schließlich würden »Kommunisten (...) mit dem Blut unserer Besten« bezahlen, wenn die SPD dem Proletariat schlussendlich doch in den Rücken fiele. Dafür erntet er Pfiffe und Schmähungen als »Saupreuße«.

Kaum 14 Tage später, nach einem gescheiterten Putsch von Nationalisten, übernehmen die Kommunisten doch noch die Kontrolle über die Räteregierung, um zu retten, was zu retten ist. Die anarchistisch geprägten Vorgänger im Amt hatten viel versprochen: Bildung einer Roten Armee, Aufbau einer sozialistischen Wirtschaft, »Austilgung« der Bürokratie, Bildung eines Revolutionsgerichts - aber kaum etwas davon umgesetzt. Nun herrschte Bürgerkrieg und die »Weißen« drohten München bald einzunehmen.

Von all dem erzählen im Film: ein katholischer Rotarmist, ein Kämpfer der Arbeiterwehr, ein Monarchist und Freikorpssöldner, ein »unpolitischer« Bankerlehrling, ein anarchistischer Politikwissenschaftler und Freund Erich Mühsams sowie ein sozialistischer Medizinstudent. Sollte man unbedingt gesehen haben!

»Rote Räte«, Klaus Stanjek u. a., 29. Juni, 18 Uhr, Kino Lichtblick, Berlin, Kastanienallee 77

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