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Wie ein Kater von der letzten Klimakonferenz
Eine Handvoll Länder hat die Verhandlungen in Bonn ausgebremst.
Die Verhandlungen um den globalen Klimaschutz gehen in eine heiße Phase: Werden die Staaten der Welt ihre bisherigen Klimaziele deutlich verschärfen? Auf solchen freiwilligen Selbstverpflichtungen beruht das Pariser Weltklimaabkommen. Am Wochenende treffen sich verschiedene Regierungen, Unternehmensvertreter und Klimaaktivisten auf Einladung der Vereinigten Arabischen Emirate in Abu Dhabi, um über den Fortschritt dabei zu diskutieren. Nach den fast zweiwöchigen Klimaverhandlungen, die am Donnerstag in Bonn zu Ende gingen, ist von Aufbruchstimmung jedoch nicht viel zu merken. »Es gab positive Zeichen - aber die Gespräche waren wie ein Kater von der letzten Weltklimakonferenz«, sagte Raju Pandit Chhetri von der nepalesischen Regierungsdelegation.
In Bonn drehten sich die Verhandlungen wie bei allen Klimagipfeln seit der Verabschiedung des Paris-Abkommens vor dreieinhalb Jahren vor allem darum, eine Art gemeinsame Klima-Verwaltung aufzubauen. Sie ist die Grundlage dafür, dass die Staaten bei der Verbesserung ihrer Klimaziele überhaupt wissen, wie der globale Stand aussieht. 2020 tritt das Klimaabkommen in Kraft, bis dahin müssen die Regeln zur Umsetzung stehen. Das bedeutet, dass dafür eigentlich nur noch die kommende Klimakonferenz im Dezember in Chile bleibt. Ein knapper Zeitplan.
Das größte Sorgenkind ist das Regelwerk zu künftigen Märkten, auf denen international mit Klimaschutz-Erfolgen gehandelt werden kann. Beispielsweise könnte die Schweiz für ein Projekt in Brasilien bezahlen und sich den Nutzen für das Klima selbst auf die Fahnen schreiben. Der Streit um Regeln für solche Geschäfte hätte den Klimagipfel in Katowice 2018 fast platzen lassen und auch in Bonn wurde eine Einigung wieder auf das nächste Treffen verschoben. Brasilien als der wahrscheinlich wichtigste Verkäufer von CO2-Zertifikaten blockierte mehr oder weniger im Alleingang, damals in Katowice wie auch jetzt in Bonn. Die anderen Länder wollen durch klar vereinbarte Abläufe beispielsweise verhindern, dass sich sowohl der Käufer als auch der Verkäufer der CO2-Zertifikate die gehandelten Einsparungen anrechnen können. Kommt das lateinamerikanische Land mit seinen Forderungen durch, droht jeder Klimaschutz-Erfolg doppelt und dreifach gerechnet zu werden. Die Welt wäre ihren Klimazielen auf dem Blatt viel näher als in der Realität.
Zudem wollen einige Ölländer, vor allem Saudi-Arabien und die USA, neue Erkenntnisse der Klimaforschung nicht formal anerkennen und haben sich damit bereits auf der Konferenz vergangenen Dezember in Polen durchgesetzt. Es geht um den Sonderbericht des Weltklimarats IPCC zum Unterschied zwischen 1,5 und zwei Grad Erderhitzung. Er erschien im vergangenen Herbst mit zwei Kernaussagen: Das halbe Grad macht einen himmelweiten Unterschied aus - und es ist durch eine radikale Umstellung der Weltwirtschaft möglich, die durchschnittliche Erderhitzung bei 1,5 Grad zu stoppen.
Auf der Weltklimakonferenz in Katowice weigerten sich die Ölländer, einer Formulierung in der Abschlusserklärung der Konferenz zuzustimmen, nach der die Staaten den IPCC-Bericht »begrüßen«. Ein Bekenntnis der Staaten, sich künftig nach den wissenschaftlichen Ergebnissen richten zu wollen, wird es dadurch nicht geben. Das negiert die Forschung natürlich nicht, macht es aber schwer, sich in den Verhandlungen darauf zu beziehen.
In einigen Detailfragen kamen die Diplomaten in Bonn zwar voran, von einem Durchbruch kann man aber nicht sprechen. UN-Klimachefin Patricia Espinosa mahnte nach Verhandlungsende mit ungewöhnlich deutlichen Worten zur Eile: »Wir können uns solche kleinteiligen Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel nicht mehr leisten - wir brauchen einen tiefschürfenden, transformativen und strukturellen Wandel in der ganzen Gesellschaft.«
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