Zum Abflug bereit

Argentiniens Ex-Präsident de la Rúa gestorben

  • Jürgen Vogt
  • Lesedauer: 3 Min.

»Seine demokratische Laufbahn verdient die Anerkennung aller Argentinier«, twitterte Präsident Mauricio Macri. Die Rede ist von dem früheren argentinischen Präsidenten Fernando de la Rúa, der am Dienstag im Alter von 81 Jahren starb. Was sich jedoch bei allen Argentiniern vor allem eingebrannt hat, sind die Bilder eines mit dem Hubschrauber vom Dach des Präsidentenpalastes flüchtenden Präsidenten. Wohl auch deshalb blieb die Schlange der Trauernden bei dem im Kongressgebäude aufgebahrten Leichnam kurz - trotz des argentinischen Nationalfeiertags.

Schon früh war der Rechtsanwalt aus der zentralargentinischen Provinz Córdoba der sozialdemokratischen und liberalen Unión Cívica Radical beigetreten, einer der beiden großen Parteien des Landes. Als 36-Jähriger wurde er 1973 zum Senator gewählt und avancierte im selben Jahr zum Kandidaten für die Vizepräsidentschaft bei den Präsidentschaftswahlen. Doch gegen das Siegerduo Juan Domingo Perón und dessen Frau Isabel hatte niemand den Hauch einer Chance. Als 1976 das Militär putschte, musste er sein Senatsmandat abgeben und ging zeitweise ins Ausland.

Nach der Militärdiktatur 1983 wurde er erneut in den Senat gewählt. Seinen politischen Durchbruch erlebte er jedoch 1996 mit der Wahl zum Bürgermeister der Hauptstadt Buenos Aires. Hatte bis dahin die Zentralregierung den Amtsinhaber eingesetzt, wurde der Bürgermeister der Drei-Millionen-Metropole erstmals durch allgemeine Wahlen bestimmt. Aus dem Amt heraus trat er 1999 bei der Präsidentschaftswahl an, als Kandidat einer Parteienkoalition aus Radikalen und linken Peronisten.

Es war die Zeit der zu Ende gehenden Ära von Carlos Menem, jenes Peronisten, der Argentinien einer neoliberale Rosskur unterzogen hatte. Dessen Wirtschaftsminister Domingo Cavallo hatte den Peso fest an den Dollar gekoppelt. Schon damals steckte das Land in einer tiefen Rezession, die Arbeitslosigkeit lag offiziell bei 15 Prozent. Große Teile der Mittelschicht befanden sich längst in einer finanziellen Stagnation oder waren abgestiegen, und die Ärmsten blieben weitgehend sich selbst überlassen. Zugleich hatte sich die Auslandsverschuldung nach zehn Jahren Menem auf 115 Milliarden US-Dollar verdoppelt.

Doch wer mit de la Rúa auf einen Politikwechsel hoffte, wurde enttäuscht. 2001, zwei Jahre nach dessen Amtsantritt, war die Arbeitslosenquote auf knapp 19 Prozent und die Außenverschuldung auf 132 Milliarden US-Dollar gestiegen, die Zahl der monatlichen Firmenpleiten erreichte immer neue Spitzenwerte und das Länderrisiko für Kredite erreichte im Oktober 2001 mit 2500 Punkten einen Weltrekord.

»Sein Vorgänger Menem hat uns alles gestohlen, aber er hat wenigsten regiert. De la Rúa macht gar nichts, er klaut nicht einmal«, formulierten die Menschen auf der Straße ihren Frust, der im Dezember 2001 in massive und gewalttätige Proteste umschlug, an deren Ende über 30 Menschen ums Leben gekommen waren, übrig bleibt das Bild des von der Casa Rosada davonschwebenden Hubschraubers.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.