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»Beendet endlich die Gewalt gegen Kinder!«
Die Vereinten Nationen beraten über Entwicklungsziele, Jugendliche erinnern sie an die Probleme
Am UNO-Hauptsitz in New York berieten in dieser Woche Experten und Politiker beim Hochrangigen Politischen Forum, wie die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen bis 2030 noch erreicht werden können. Die 17 ehrgeizigen Ziele sehen unter anderem vor, die Armut »überall und in jeder Form zu beenden«, die Natur zu schützen und Gewalt gegen Kinder zu beenden. Um bei der Umsetzung des Nachhaltigen Entwicklungsziels 16, welches das Ende von Gewalt gegen Kinder beinhaltet, mehr Druck zu machen, lud die internationale Kinderhilfsorganisation World Vision Liteboho (17) aus Lesotho, Roslinda (14) aus Indonesien und Nomundari (14) aus der Mongolei zum UNO-Treffen nach New York ein. Dort berichteten die selbstbewussten Jugendlichen von Gewalt in ihren Heimatländern und sprachen den Delegierten ins Gewissen.
So ist in Litebohos Heimat im Südosten Afrikas ein Viertel aller Mädchen bei der Verheiratung noch minderjährig. Oft werden sie schon im Alter von 13 Jahren verheiratet, teilweise an deutlich ältere Männer. Vor allem betroffen sind besonders arme Mädchen. Ihre eigenen Eltern verheiraten sie, weil sie so ein Kind weniger durchbringen müssen. Andere werden verheiratet, weil sie - teilweise nach einer Vergewaltigung - schwanger werden. »Die frühe Heirat raubt ihnen die Kindheit! Obwohl sie selbst noch Kinder sind, werden sie gezwungen, Kinder zu haben, die sie nicht wollen. Ihre Körper sind dazu noch nicht bereit. Oft sterben bei der Geburt deshalb Mutter, Kind oder beide«, berichtet Liteboho. Sie fordert deshalb, dass das gesetzliche Heiratsalter in ihrer Heimat endlich auf 18 Jahre hochgesetzt wird.
20 Billionen US-Dollar haben die Regierungen seit 2000 weltweit für die Umsetzung der UN-Entwicklungsziele ausgegeben. Bis 2030 ist eine Steigerung auf 30 Billionen US-Dollar geplant. Allerdings kritisierte das Forum in New York, dass das meiste Geld in Volkswirtschaften mit hohen oder hohen mittleren Einkommen ausgegeben wurde.
Um die Lücke von jährlich 840 Milliarden US-Dollar zu füllen, die für das Erreichen der UN-Ziele auch in Ländern mit niedrigem mittleren Einkommen benötigt werden, fordern Teilnehmer des Forums die Einhaltung der Zusage von der Industrieländern, 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. nd
Roslinda berichtete vor den Vereinten Nationen davon, wie sie mit Gleichaltrigen dafür kämpft, dass in Indonesien alle Kinder bei der Geburt eine Geburtsurkunde erhalten. Denn nur mit offiziellen Dokumenten können sie später auch eine Schule besuchen. »Mädchen und Jungs, die ihre Rechte kennen und wissen, wie sie sich wehren können, werden nicht so leicht zu Opfern. Darum ist Bildung das beste Rezept gegen den Missbrauch von Kindern«, sagt die 14-Jährige.
Nomundari aus der Mongolei hatte sogar die Chance, vor der UNO-Generalversammlung zu sprechen. Die Schülerin kommt aus Ulaanbaatar, einer der Städte mit der schlimmsten Luftverschmutzung der Welt. »Die meisten Leute denken bei Gewalt gegen Kinder nicht an Umweltverschmutzung. Aber es ist Gewalt! Babys, Kinder und Jugendliche leiden darunter besonders. Viele von uns Jungen haben deshalb eine deutlich niedrigere Lebenserwartung«, berichtet die engagierte Umweltschützerin. Sie fordert eine sofortige Verschärfung der Umweltschutzbestimmungen in ihrem Land. »Für die Alten ist es vielleicht nicht mehr so wichtig, aber wir Jungen wollen nicht jung sterben, weil die Alten nicht endlich mehr gegen schlechte Luft unternehmen«, sagt Nomundari.
Für Deutschland nahmen unter anderem Staatssekretärinnen des Umwelt- und des Entwicklungshilfeministeriums, Mitglieder des Bundestages und Vertreter von Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Gewerkschaften und Jugendbewegungen an dem Treffen teil. Sie forderten, den Kampf gegen den Klimawandel zu verstärken, da er Fortschritte bei der Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele zunehmend gefährdet.
Denn allen in New York geleisteten Absichtsbekundungen zum Trotz: Nach aktuellen Einschätzungen werden bis 2030 wohl nur wenige der ehrgeizigen Ziele erreicht werden. Auch beim Kampf gegen Gewalt gegen Kinder geschieht zu wenig und zu spät. Entsprechend frustriert war Ekkehard Forberg, Friedensexperte von World Vision Deutschland, zum Abschluss des Hochrangigen Politischen Forums. »Es wurde viel geredet, viele Staatsvertreter lobten sich selbst und die Verbesserungen, die sie angeblich erreicht hätten. Doch tatsächlich scheint das Thema ›Gewalt gegen Kinder beenden‹, nicht auf der aktuellen Agenda vieler Länder zu stehen. Bislang wurden kaum Maßnahmen umgesetzt, die auf dem Gipfel im Jahr 2015 beschlossen wurden«, so Forberg.
So werden auch fast 30 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention weltweit immer noch Millionen Kinder gezwungen, viel zu früh zu heiraten, werden Opfer von Gewalt und leiden unter Umweltverschmutzung. Von der deutschen Bundesregierung fordert der Friedensexperte deshalb vor allem in Kriegs- und Krisenregionen mehr Engagement für Kinderrechte. »Die Regierung muss endlich mehr tun und nicht noch zusätzlich Waffen in Länder liefern, für die Menschenrechte keine Rolle spielen und so Konflikte weiter anheizen.«
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