»Der Führer Adolf Hitler ist tot.«

Diese Nachricht löste die Operation Walküre aus. Doch nichts lief wie geplant.

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Ausstellung im Militärhistorischen Museum 
der Bundeswehr in Dresden; unten im Bild der Grabstein eines fast unbekannten Rotarmisten ganz in der Nähe
Ausstellung im Militärhistorischen Museum 
der Bundeswehr in Dresden; unten im Bild der Grabstein eines fast unbekannten Rotarmisten ganz in der Nähe

Aus Pflichtgefühl

Den Sitz der Familie von Hardenberg, zwischen Seelow und Wriezen in Brandenburg gelegen, schätzt Stauffenberg besonders. Im weitläufigen Park lässt sich gut flanieren, Gespräche ohne Zwang der Etikette sind möglich. Vor allem: Man ist unter Gleichgesinnten. Und die Hardenberg’sche Küche gilt als vorzüglich, ihrer Wildbraten und der fantasievollen Desserts wegen.

Am 5. April 1944 fahren Stauffenberg, sein Ordonnanzoffizier Werner von Haeften sowie Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg hinaus zu den Hardenbergs ins Oderbruch. Gastgeber Carl-Hans Graf von Hardenberg, der 1937 in einem Trinkspruch noch formulierte: »Unser Führer Adolf Hitler hat unserm Volk die Freiheit wiedergegeben, hat die Ketten von Versailles zerrissen«, gehört jetzt dem Widerstand an - »aus Pflichtgefühl gegenüber dem Vaterlande«. Beim Essen, beim Spaziergang durch den Schlosspark ist an diesem Sonntag auch die Journalistin Ursula von Kardorff dabei. Sie hält ihren Eindruck von Stauffenberg in ihrem Tagebuch fest: »Ein Mensch von ungewöhnlicher Anziehungskraft, groß, dichtes dunkles Haar, über dem einen Auge eine schwarze Klappe, die dem Gesicht nichts von seiner Schönheit nimmt. Das Männliche mit einem Hauch süddeutscher Grazie, einer in Preußen nicht eben häufigen Mischung. Ihm fehlt ein Arm, und an der anderen Hand fehlen drei Finger. Da ich neben ihm saß, musste ich ihm das Fleisch schneiden. Wir unterhielten uns über Jean Paul, dessen Lektüre er mir empfahl, und über Musik. Er soll vor seiner Verwundung gut Cello gespielt haben.« Jürgen Leskien

Frühe Opposition

Früher als heute allgemein bekannt, wenden sich einzelne hohe Militärs gegen Hitlers geplanten Krieg. Sie lehnen die Kriegsvorbereitung im Sommer 1938 gegen die Tschechoslowakei ab. Unter den Gegnern ist Hitlers Generalstabschef Ludwig Beck. Seiner Einschätzung nach ist das Heer auf solch einen Feldzug nicht vorbereitet, und das deutsche Volk würde eine solche Aktion nicht mittragen. In der Hoffnung auf Verbündete schreibt er an seine Generäle und empfiehlt ihnen, dem Befehl »zum Einmarsch in die Tschechoslowakei« nicht Folge zu leisten. Ein Aufruf zur Opposition. Beck ist zu beliebt, um ihn öffentlich herabzusetzen, und so verlangt Hitler im internen Gespräch den Rücktritt des Generalstabschefs. Beck beugt sich diesem Verlangen und überlässt seinem Stellvertreter Franz Halder den Posten.

Fortan wirkt Beck in der Gruppe der zum Aufruhr entschlossenen Militärs mit. Nach dem gescheiterten Putsch in der Bendlerstraße am späten Abend des 20. Juli wird ihm von hitlertreuen Offizieren die Selbsttötung nahegelegt. Doch seine beiden Suizidversuche misslingen. Schließlich erschießt ein Feldwebel des Wachregiments den General in einem Nebengelass. Gnadenschuss, wird es später heißen. Jürgen Leskien

Tag der Entscheidung

Die Nacht vom 19. zum 20. Juli verbringt Stauffenberg in Gesellschaft seines Bruders Berthold. Die Versuche, per Telefon noch seine Frau Nina in Lautlingen zu erreichen, bleiben erfolglos. Als Stauffenberg, den Sprengstoff in der Aktentasche, am nächsten Morgen gegen 7.30 Uhr den Flugplatz Rangsdorf erreicht, erfährt er, dass der Start der Maschine verschoben werden muss. Wiesennebel bis hin zum Pramsdorfer Berg. Kurz nach acht hebt das Flugzeug ab. 10.15 Uhr landet es nahe der »Wolfsschanze« bei Rastenburg in Ostpreußen. Dann geht alles sehr schnell. 12.30 Uhr zerquetscht Stauffenberg die Säureampulle, drei Minuten später platziert er die Bombe nahe Hitler am Fuße des Kartentisches in der »Lagebaracke«. 12.42 Uhr ertönt die Detonation. Stauffenberg und Haeften befinden sich auf dem Weg zum Flugplatz, wo sie um 13.15 Uhr mit einer He 111 gen Berlin fliegen, um sogleich in den Bendlerblock zu eilen.

Dort läuft das Unternehmen »Walküre« nur zögerlich an. Stauffenbergs Verbündete sind durch widersprüchliche Meldungen verunsichert. Am Abend gewinnt die Gegenseite Oberhand. Im Licht von Autoscheinwerfern beginnt zehn Minuten nach Mitternacht auf dem Hof des Bendlerblocks die Exekution. Erschossen werden Friedrich Olbricht, Claus Schenk Graf von Stauffenberg, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und von Haeften. An der Ostfront nehmen sich Tresckow und Günther von Kluge das Leben, Erwin Rommel wird Tage später gezwungen, Selbstmord zu begehen. In den folgenden Wochen werden 5000 Menschen verhaftet und über 2000 Todesurteile gefällt. Jürgen Leskien

Der Rubikon

Am Dienstag, den 4. Juli, trifft die Verschwörer ein harter Schlag. Wichtige Verbündete aus SPD und KPD, die sich in Berlin in der Köpenicker Straße getroffen hatten, sind aufgeflogen: Adolf Reichwein, Julius Leber, Anton Saefkow, Franz Jacob - sie alle werden zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Die Verschwörer um Stauffenberg werden mehr und mehr zu Getriebenen. Die Versuche am 11. und 15. Juli, Hitler zu töten, scheitern. Zu Stauffenbergs Überraschung sucht Carl Friedrich Goerdeler, der zivile Kopf der Umstürzler, ihn am 18. Juli auf. Er bedrängt den Oberst, auf Verhandlungen mit dem Westen zu setzen. Stauffenberg zeigt für diesen realitätsfernen, zu oft debattierten Vorschlag kein Verständnis. Nach seinem Gespräch mit Goerdeler erfährt er, dass in Berlin das Gerücht kursiert, das Führerhauptquartier werde wohl bald in die Luft fliegen. Stauffenberg reagiert gelassen, aber auch sehr bestimmt: »Da gibt es keine andere Wahl mehr. Der Rubikon ist überschritten.« Die Tage bis zum dritten Anlauf dienen noch einmal letzten Vorbereitungen. Zuverlässige Kommandeure von Einheiten des Ersatzheeres in Potsdam, Krampnitz und Cottbus werden durch Codeworte darauf orientiert, dass der 20. Juli von Bedeutung sein wird. Alles hängt nun an einem kriegsversehrten Oberst. Jürgen Leskien

Der Schwur der Offiziere

Der 2. Juli 1944 ist ein Sonntag. Am Rande Berlins, in der Tristanstraße bei den Brüdern Stauffenberg, treffen sich Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, Werner von Haeften, Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim und Friedrich Karl Klausing. Schulenburg meint: »Wenn es nicht mehr gelingen sollte, zur Tat zu kommen, so muss man sich doch einen Eid geben.« Dem ein wenig romantisch anmutenden Gedanken eines Gelöbnisses hängen auch die Stauffenberg-Brüder an.

Artamonow und der Attentäter
Erkundigungen rund um die Verschwörung vom 20. Juli 1944.

Claus Stauffenberg liest den Text des Schwures: »Wir glauben an die Zukunft der Deutschen. Wir wissen im Deutschen Kräfte, die ihn berufen, die Gemeinschaft der abendländischen Völker zu schönerem Leben zu führen ... Wir wollen eine Neue Ordnung die alle Deutschen zu Trägern des Staates macht und ihnen Recht und Gerechtigkeit verbürgt, verachten aber die Gleichheitslüge und beugen uns vor den naturgegebenen Rängen ... Wir verbinden uns zu einer untrennbaren Gemeinschaft, die durch Haltung und Tun der Neuen Ordnung dient und den künftigen Führern die Kämpfer bildet, derer sie bedürfen. Wir geloben, untadelig zu leben, im Gehorsam zu dienen, unverbrüchlich zu schweigen und füreinander einzustehen.« Die Männer reichen einander die Hände, besiegeln den Bund. Sie sind sich sicher, könnten Henning von Tresckow, Caesar von Hofacker, Peter Graf Yorck von Wartenburg und Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin dabei sein, sie hätten sich dem Gelöbnis angeschlossen. Jürgen Leskien

Verhängnisvoller Irrtum

»Der Führer Adolf Hitler ist tot.« So lautet am 20. Juli 1944 ein Fernschreiben an die Wehrmacht. Es löst die Operation »Walküre« aus. Ein Irrtum! Hitler lebt bis zum 30. April 1945. Da hält er sich im Berliner Führerbunker eine Walther-Pistole an die Schläfe und drückt ab. Zwei Stunden danach trifft ein Funkspruch von Nazi-Reichsleiter Bormann bei Großadmiral Dönitz in Flensburg ein. »Anstelle des bisherigen Reichsmarschalls Göring setzt der Führer Sie, Herr Großadmiral, als seinen Nachfolger ein.« Da kein Tod erwähnt war, sendet Dönitz eine Ergebenheitserklärung zurück. Erst am Nachmittag des 1. Mai wird er in Kenntnis gesetzt, dass Hitler bereits »verschieden« sei. Im Reichsrundfunk lässt der »neue Führer« dann um 22.26 Uhr - 31 Stunden nach Hitlers Tod - verkünden: »Aus dem Führerhauptquartier wird gemeldet, dass unser Führer Adolf Hitler heute Nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend, für Deutschland gefallen ist.«

Amtlich galt der wohl widerlichste Massenmörder der Weltgeschichte bis zum 25. Oktober 1956 als lebendig. Nach einem vier Jahre dauernden Verfahren wurde er dann vom Amtsgericht Berchtesgaden offiziell für tot erklärt. Bei dem Verfahren ging es in erster Linie um die Frage: Wer ist Hitlers Erbe? Politische Erben und Bewunderer gibt es derzeit in wachsender Zahl. Doch auch das Erbe der Aufständischen versuchen sich Rechtsaußen-Politiker anzueignen. Rene Heilig

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