Das Sterben ist zu stoppen

Martin Ling über die jüngste Mittelmeertragödie

»Es muss, muss, muss anders werden.« Die Worte des damaligen italienischen Innenministers Angelino Alfano sind fast sechs Jahre alt. Sie fielen nach der Katastrophe vom 3. Oktober 2013 vor Lampedusa, als Hunderte Bootsflüchtlinge im Mittelmeer ertranken. Nun sind bei der bisher schlimmsten Mittelmeer-Tragödie dieses Jahres über 150 Menschen ertrunken, weil seit 2013 nichts Substanzielles unternommen wurde, um das Sterben auf dem Mittelmeer zu verhindern. Nur kurz wurde auf Lampedusa reagiert: mit der italienischen Seenotrettungsmission »Mare Nostrum«, die von Mitte Oktober 2013 bis Ende Oktober 2014 laut Rom 150 000 bis 160 000 Bootsflüchtlingen das Leben rettete. Die EU beteiligte sich an der Mission, die neun Millionen Euro pro Monat kostete, mit exakt null Cent. Italien stellte die Mission wieder ein.

Es liegt auf der Hand, wie die EU samt Mitgliedsstaaten reagieren müssten, damit es wirklich anders wird: Als Sofortmaßnahmen die Wiederaufnahme der staatlichen Seenotrettung à la »Mare Nostrum«, nur dieses Mal solidarisch von allen finanziert; zudem die Befreiung der Menschen aus den Internierungslagern in Libyen, wo die Verhältnisse nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks menschenunwürdig und gewaltstrotzend sind. Beides müsste für einen Friedensnobelpreisträger wie die EU eine Selbstverständlichkeit sein, so er seine Werte ernst nähme. Und schließlich bedarf es endlich sicherer Fluchtwege aus Libyen inklusive der aktiven Förderung legaler Wege für Arbeitsmigration nach Europa. Wer sich dem verweigert, nimmt das Sterben auf dem Mittelmeer billigend in Kauf.

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