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Linke Kapitalistin mit besten Chancen
Seit Monaten gewinnt die demokratische Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren in den USA an Zustimmung
Das beginnende Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump und die entsprechenden Anhörungen dominieren in den USA die Schlagzeilen. Wäre das nicht der Fall, stünde Elizabeth Warren auf den Titelseiten. Umfragen zufolge legt die Senatorin aus Massachusetts im Vorwahlkampf der Demokraten einen Höhenflug hin, der sie zur Präsidentschaftskandidatin machen könnte.
Sie habe »einen Plan«, wie die Missstände zu beheben sind, lautet ihr Mantra. Und in der Tat hat sie zu vielen Problemen der USA detaillierte Politikvorschläge vorgelegt. Die Senatorin aus Massachusetts vertritt in weiten, aber nicht allen Teilen Positionen, die der demokratische Sozialist Bernie Sanders seit Jahrzehnten immer wieder fordert, etwa eine Reichensteuer, kostenlose höhere Bildung und sowie eine staatliche Krankenkasse »Medicare for All«, obwohl sie dort nicht immer eindeutig ist.
»Zu unseren Hauptforderungen gehören die Erhöhung des Mindestlohns, mehr Macht für die Gewerkschaften, mehr Regulierung der Banken, Erlass von Studienschulden«, erklärte Warren auf einer Wahlkampfveranstaltung in einer Kleinstadt in New Hampshire. Nicht nur eine Mehrzahl der Demokraten, sondern eine Mehrheit im Land würde dem laut Umfragen zustimmen.
Die auf Details achtende Politikerin hat ihre Karriere als Lehrerin begonnen und war dann später Jura-Professorin an der Elite-Universität Harvard. Bis 1996 war sie als Wählerin der Republikaner registriert, wurde dann Demokratin. Als Expertin für Konkursrecht kam sie zum ersten Mal neun Jahre später direkt mit dem Politbetrieb in Washington in Berührung. Sie lieferte sich in dieser Funktion schon 2005 in einer Senatsanhörung verbale Gefechte mit ihrem derzeitigen Hauptrivalen Joe Biden, der bei einem Gesetzesprojekt zu Privatpleiten vor allem die Interessen von Banken vertrat.
Was ihre ideologische Positionierung angeht, steht sie als deutlich progressive Politikerin zwischen dem bürokratischen Neoliberalismus der Parteispitze und dem demokratischen Sozialismus ihres Konkurrenten Bernie Sanders. Als Trump in einer Rede vor dem Kongress polterte, Amerika werde »niemals ein sozialistisches Land werden«, erhob sich Warren und applaudierte. Sanders blieb dagegen sitzen. Anders als dieser ist Warren weniger Bewegungspolitikerin, die auf Basismobilisierung setzt. Warrens Selbsteinschätzung »Ich bin Kapitalistin bis auf die Knochen« geht mit ihrem Anspruch, den Kapitalismus zu zähmen einher.
Die Geschäftswelt an der Wall Street hat offenbar soviel Angst vor den Regulierungsplänen der linken Kapitalistin, dass laut US-amerikanischen Medien einige traditionelle Demokraten-Großspender von der Wall Street überlegen, dieses Jahr nicht für die Demokraten zu spenden oder gar Trump zu unterstützen, sollte Warren Präsidentschaftskandidatin werden. Vor einer Woche sagte die sozialdemokratisch ausgerichtete »Working Families Party« Warren ihre Unterstützung zu - ein Indiz dafür, dass viele Aktivisten an der Basis zunehmend auf Warren setzen und ihr gute Chancen einräumen. Gleichzeitig umwirbt Warren die Parteiführung, stellt sich als Alternative zu Sanders dar, den einige ehemalige Clinton-Wähler keinesfalls wählen wollen. Mit ihrer ambivalenten Positionierung links des Parteimainstreams könnte sie ein mehrheitsfähiger Kompromiss zwischen dem moderateren Establishment und der in den vergangenen Jahren nach links gerückten Parteibasis sein.
Doch auch in der breiteren Öffentlichkeit kann sie immer mehr Menschen begeistern, Warrens Wahlkampf hat »Momentum«. Ihre Umfragewerte gehen seit einem halben Jahr, als sie sich nur im einstelligen Bereich bewegte, kontinuierlich nach oben. Wären die Vorwahlen bei den Demokraten heute, so würde Warren den seit Monaten vorne liegenden Ex-Vizepräsidenten Joe Biden knapp überflügeln und den demokratischen Sozialisten Bernie Sanders auf Rang drei verweisen. Zwei Umfragen von vergangener Woche ergaben einen Vorsprung Warrens von einem beziehungsweise zwei Prozentpunkten vor Biden und zehn Prozentpunkten vor Sanders.
Allerdings weist der mehrwöchige Umfragendurchschnitt Biden weiterhin als führenden Kandidaten aus. Doch sein Umfragenvorsprung ist auch in den ersten Vorwahlstaaten geschmolzen - in Iowa, New Hampshire und Kalifornien etwa.
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