Antiziganismus austreiben

Rom*nja-Bundeskonferenz debattiert über Geschichtsrevisionismus und Organisationsstrategien / Finanzierung im kommenden Jahr unklar

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir sind die Zukunft« lautete das Motto einer Konferenz, zu der sich in Berlin mehrere Hundert junge Rom*nja und Sinti*zze (geschlechtergerechte Schreibweise für Sinti und Roma) getroffen haben. Unterstützt wurde diese von der Organisation Amaro Drom, die es sich zum Ziel gesetzt hat, jungen Roma und Sinti zu politischer und gesellschaftlicher Aktivität zu ermutigen.

Am Samstagabend diskutierten die Teilnehmenden mit der Bundestagsabgeordneten Petra Pau (Linkspartei) über Antiziganismus. Estera Iordan, Schülerin und Romaaktivistin, berichtete, sie habe im Geschichtsunterricht erfahren müssen, dass die Verfolgungsgeschichte der Roma und Sinti im Nationalsozialismus in einem Lehrbuch in zwei Zeilen abgehandelt wurde. In demselben Buch wurden Sinti und Roma in einer Fußnote auch mit dem »Z-Wort« bezeichnet. Der Begriff, den die meisten Roma und Sinti als zutiefst diskriminierend empfinden, wurde auf der Veranstaltung nicht ausgesprochen. Großes Unverständnis gab es unter den Anwesenden, dass das im Bundestag noch anders ist. Petra Pau verwies auf die Rede eines AfD-Abgeordneten, der das Z-Wort selbstverständlich verwendete und die Begriffe Sinti und Roma als »Konstrukt« bezeichnete.

»Wie ist es möglich, dass die Verwendung solcher Begriffe nicht verboten wird«, wurde Petra Pau gefragt. Die Abgeordnete verwies darauf, dass es dafür im Bundestag keine Mehrheit gäbe. Sie setze sich dafür ein, dass der Antiziganismus wie alle Ungleichheitsideologien aus den Köpfen der Menschen verbannt werde. Als Erfolg konnte sie anführen, dass auch aufgrund ihrer Initiative in der Parlamentskantine das Schnitzel nicht mehr mit dem Z-Wort angeboten wird. Doch den Podiumsteilnehmer*innen wie auch dem Publikum war das sichtlich zu wenig.

Ein Mann, der schon als Kind einen Brandanschlag auf seine Wohnung in Darmstadt erleben musste, fragte die Anwesenden, wer keine antiziganistische Diskriminierung erlebt habe. Niemand meldete sich. Doch die jungen Leute hatten auch sehr konkrete Forderungen, um das zu ändern. Estera Iordan forderte Fortbildungskurse für Lehrer*innen, damit sie die Verfolgungsgeschichte der Rom*nja und Sinti*zze im Unterricht vermitteln können.

Eine zentrale Rolle in der Diskussion spielte auch der Umgang mit Geflüchteten. Vor allem nach dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens wuchs die Zahl der geflüchteten Sinti und Roma und damit auch die antiziganistische Kampagne in Deutschland. So berichtete eine Frau, die Geflüchtete bei ihren Befragungen zu den Fluchtgründen begleitet, dass sie selber Zeugin wurde, wie ein serbischer Dolmetscher den Beamt*innen erklärte, dass bekannt sei, dass die »Z. …« lügen würden.

Ajriz Bekirovski gehörte zu den Menschen, die als Kinder während der Kriege auf dem Balkan nach Deutschland geflohen waren. Er lebte mit seinen Eltern in sächsischen Flüchtlingsheimen und ist in der Jugendselbstorganisation aktiv. Auf der Veranstaltung sprach er über Möglichkeiten, sich zu organisieren und gegen den Antiziganismus zu kämpfen.

Ermutigt wurden die jungen Menschen von Ilona Lagrene. Die 1950 in Heidelberg geborene Sintizza ist Tochter von Auschwitzüberlebenden. Nach dem Krieg hatten ihre Eltern Angst, Ilona und ihre Geschwister in die Schule zu schicken, weil sie vor Augen hatten, wie sie von der Gestapo aus den Klassen in die KZs transportiert wurden. Lagrene berichtete eindringlich über die Erfolge einer mehr als 40-jährigen Bürgerrechtsarbeit, an der sie aktiv mitgewirkt hat. Sie rief die Teilnehmenden dazu auf, in ihrem Kampf gegen Antiziganismus trotz Hürden und Rückschlägen nicht nachzulassen.

Ob es im nächsten Jahr ein Bundesjugendtreffen der Rom*nja und Sinti*zze geben kann, ist unklar. Erst vor kurzem beschied das Bundesfamilienministerium, verschiedenen Projekten zur Demokratieförderung die Finanzierung nicht zu verlängern (»nd« berichtete). Davon wäre auch die Arbeit von Amaro Drom betroffen.

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