Vorurteile gegen Roma verschärfen sich

Verein Amaro Foro veröffentlichte Fünf-Jahres-Bilanz

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Zuschreibungen, die Menschen, die als Sinti und Roma wahrgenommen werden, treffen, sind in den letzten 600 Jahren dieselben geblieben«, sagt Andrea Wierich vom Verein Amaro Foro am Dienstag im Aufbau-Haus am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg. Beharrlich, sagt Wierich, halten sich stereotype Vorstellungen von angeblich »identitätslosen« Menschen, die orts-, religions- und nationslos einem nomadischen Leben frönen, archaisch, naturverbunden und nur niedrig zivilisiert seien und vor allem: ihren sorglosen Lebenswandel auf Kosten anderer betreiben. Die jahrhundertealte »Negativfolie«, so die Sprecherin, habe aktuell vor allem eine Erscheinung zur Folge: den »Generalverdacht auf Betrug« - ob im Hinblick auf Sozialleistungen, Arbeitsverhältnisse, Mobilfunkverträge oder den »berühmten« Kugelschreiber, der angeblich immer wieder von Behördenschreibtischen gestohlen wird.

Die allgegenwärtige Diskriminierung wird jetzt in einer Broschüre aufgearbeitet. Die an den Verein angegliederte Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA) hat hierfür bekanntgewordene Diskriminierungsfälle erfasst und sie unterschiedlichen Lebensbereichen zugeordnet. Die Zugänge zu Bildung, Medizin, Wohnraum, Gütern und Dienstleistungen wurden dabei ebenso untersucht wie der Kontakt zu Leistungs- und Ordnungsbehörden sowie zur Justiz. Auch alltags- und arbeitsweltliche Erfahrungen finden Berücksichtigung. In all diesen Bereichen steigen die Zahlen an, von insgesamt 107 gemeldeten Vorfällen im Jahr 2014 auf 161 im Jahr 2018. Repräsentativ sind die Zahlen nicht - man gehe, so Wierich, von einer hohen Dunkelziffer aus.

Fakten

Von 2014 bis 2018 wurden für Berlin 699 antiziganistische Vorfälle erfasst.

Besonders hoch ist die Anzahl im Bereich des Kontakts zu Leistungsbehörden (216 im Zeitraum 2015 bis 2018).

Hier reichen die Erscheinungsformen von Auskunftsverweigerung, Sozialchauvinismus, über die Verweigerung von Antragsannahmen und Auskünften bis hin zu eugenischen Äußerungen und rassistischem Mobbing.

Medienmonitoring zeigt: Politische und mediale Debatten üben starken Einfluss aus. clk

Antiziganismus, sagt die Sprecherin von Amaro Foro, beziehe sich nicht auf reale Menschen. Vielmehr werde ein klischeehaftes »Zerrbild« entworfen, dass auch Menschen angeheftet wird, die sich selbst gar nicht als Roma und Sinti verstehen und bezeichnen. Deshalb, ergänzt ihr Kollege Georgi Ivanov, spreche man bei Amaro Foro auch nicht von Rassismus gegen Roma und Sinti. Der Sozialarbeiter hat in den vergangenen Jahren viele Menschen begleitet und beraten, die in ihrem Alltag mit Formen antiziganistischer Diskriminierung konfrontiert wurden. Ob in Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern oder im Beruf - sobald ihre Nationalitäten bulgarisch oder rumänisch ins Spiel kämen, hätten Menschen mit Vorurteilen zu kämpfen, berichtet Ivanov.

Besonders häufig treten diese im Kontakt mit Leistungsbehörden auf. Hier sind Unterstellungen, die Verweigerung von rechtmäßiger Unterstützung, die Erhebung irrelevanter, zum Teil falscher Auskünfte an der Tagesordnung.

Vor dem Hintergrund der Debatte um »Armutszuwanderung« seit 2013 hat sich diese Praxis sogar so weit verschärft, dass eine interne Arbeitshilfe der Bundesagentur für Arbeit Mitarbeiter*innen des Jobcenters empfahl, »nichtdeutsche EU-Bürger« unter Generalverdacht zu stellen und ihren Anspruch möglichst kritisch zu prüfen. Nachdem die Arbeitshilfe im April dieses Jahres geleakt worden war, hatten zahlreiche Beratungsstellen und Initiativen im Netzwerk Europa für alle dies kritisiert.

An diesen Entwicklungen hat mediale Berichterstattung großen Anteil. Dies bestätigt das Monitoring von Berliner Medien, dass ebenfalls in der Broschüre zu finden ist. Anschaulich wird dargestellt, wie hier zu Kriminalität, »Problemimmobilien«, Sozialleistungsbezug und Obdachlosigkeit im Zusammenhang mit antiziganistischen Zuschreibungen gearbeitet wird.

»Wir brauchen in allen Bereichen mehr Sensibilisierung und Schutz vor Diskriminierung«, fordern die Mitarbeiter*innen von Amaro Foro.

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