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Sozial-ökologischer Wandel nicht ohne Demokratisierung der Wirtschaft
Gewerkschaften sollten die Transformation als Machtfrage begreifen, fordert IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban
Ein sozial-ökologischer Umbau von Wirtschaft und Arbeitswelt wird ohne Unterstützung der Gewerkschaften nicht gelingen. Entsprechend wichtig sind Anstöße von innen. Solche, wie sie Hans-Jürgen Urban, Vorstandsmitglied der IG Metall, mit seinem Buch »Gute Arbeit in der Transformation« unternimmt. Er untersucht darin, wie die bereits stattfindende Umwälzung von Wirtschaft und Arbeitswelt durch digitale Technologien, Globalisierung und Dekarbonisierung Profitlogik und Marktzwängen entzogen und in den Dienst von Mensch und Natur gestellt werden kann.
Gewerkschaften wollen die Transformation gern »gestalten«. Urban hält nicht viel davon: Der so beliebte Begriff laufe nämlich Gefahr, die Konfliktpotenziale zu unterschätzen, warnt er. »Wenig spricht dafür, dass sich die Digitalisierung als eine sozialpartnerschaftliche Konsensmaschine erweisen wird. Auch bei der Industrie 4.0. handelt es sich im Kern um eine Rationalisierungsstrategie beziehungsweise -vision.« Der Hype um diese »Revolution« - Urban bleibt davon angenehm unberührt. »So folgenreich die Durchdringung von Wirtschaft, Gesellschaft und Kommunikation durch diese Technologien sein werden: Der digitalisierte Kapitalismus bleibt auf absehbare Zeit vor allem Kapitalismus.«
Der Gewerkschafter bestreitet dabei gar nicht, dass die neuen Technologien auch das Potenzial haben, Arbeit zu erleichtern. Nur was die Oberhand gewinnt, die Emanzipation oder Destruktivkräfte, das sei nicht ausgemacht. Gerade deshalb ermahnt er Gewerkschaften, die Transformation als »Machtfrage« zu begreifen, in der soziale und ökologische Ziele gegen wirtschaftliche und politische Eliten durchgesetzt werden müssen. Gewerkschaften sollten demnach weniger »gestalten«, als »eingreifen«.
Die Digitalisierung gefährdet Arbeitsplätze, zugleich nehmen psychische Belastungen zu. Urban fürchtet, Gewerkschaften und Betriebsräte könnten Arbeitsbedingungen und qualitative Ansprüche an die Arbeit hinter die Verteidigung von Arbeitsplätzen zurückstellen. »Hauptsache Arbeit« - das sei schon einmal benutzt worden, um Sozialabbau und die Absenkung von Tarifstandards zu legitimieren. Eine Sackgasse. Statt dessen müsse »gute Arbeit« sich heute die Frage nach ihrem gesellschaftlichen Gebrauchswert und der Naturverträglichkeit von Arbeit, Produktion und Produkt stellen.
Die IG Metall fordert angesichts des unausweichlichen Wandels mehr Mitbestimmung in Betrieben. Doch diese Forderung ende meist an den kapitalistischen Eigentumsstrukturen, kritisiert Urban. Er ist überzeugt: Öko-sozialer Fortschritt geht nur mit Demokratisierung der Wirtschaft und einem Entwicklungsmodell, das weder die »Wieder mehr wachsen«-Strategie keynesianischer Prägung fortführen kann, das sozialen Fortschritt mit ökologischem Rückschritt erkaufen würde, noch auf die »Nie wieder wachsen«-Strategie der Degrowth-Fürsprecher umschwenken kann.
Urban positioniert sich dazwischen und plädiert für qualitatives und selektives Wachstum. Das bedeute: »anders, weil langsamer, nachhaltiger und demokratischer wachsen«. Urban sagt offen: Auch mit diesem Ansatz würden Konflikte nicht ausbleiben. Weniger Wachstum gleich weniger Wertschöpfung, das führe entweder zu weniger materieller Lebensstandardsteigerung oder härteren Verteilungskonflikten. Auch die gesellschaftliche Verständigung darüber, was wachsen soll, enthalte großen »sozialen Sprengstoff«. Und welche Folgen »die Ermächtigung der Gesellschaft über die Ökonomie« für Eigentumsstruktur und Verfügungsrechte hätte - Urban wirft diese Fragen auf, legt sich selbst aber nicht fest. Dies alles wäre gesellschaftlich zu diskutieren und zu entscheiden, sagt er. Und darauf macht Urban in jedem Fall Lust.
Mit seinem Buch greift Urban in die gesellschaftliche Zukunftsdebatte ein, aber zuvorderst zielt er auf die Positionierung seiner Gewerkschaft - sozial-ökologische Transformation wird das Hauptthema beim anstehenden Gewerkschaftstag der IG Metall in Nürnberg sein. Urbans Antwort, die auf einen neuen Anlauf zur Demokratisierung der Wirtschaft hinausläuft, wird dort nicht sofort mehrheitsfähig sein, aber sie findet in den Debatten seiner Gewerkschaft inzwischen immerhin Anknüpfungspunkte. Ein Riesensprung.
Hans-Jürgen Urban: Gute Arbeit in der Transformation. Über eingreifende Politik im digitalen Kapitalismus. VSA-Verlag, Hamburg 2019, 264 S., 19,80 Euro.
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