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Linke nutzt Spielräume
In Portugal steht Premier António Costa vor der Wiederwahl.
In die Wahlen am Sonntag geht Portugal mit der »Geringonça« - übersetzt: Klapperkiste oder Kauderwelsch. So nennen die Portugiesen das ungewöhnliche Regierungsbündnis unterschiedlichster Parteien. Seit 2015 steht der gelernte Jurist António Costa von der sozialdemokratischen Sozialistischen Partei (PS) an der Spitze einer Minderheitsregierung, die sich zum ersten Mal in der portugiesischen Geschichte auf kleinere, radikalere Linksparteien stützt - auf den marxistischen Linksblock (BE) und die Kommunistische Partei (PCP), die beide die PS tolerierten, aber nicht bedingungslos unterstützten.
Niemand hatte 2015 geglaubt, dass die PS in Portugal unter Costa fortan das Land regieren würde. Denn mit gut 32 Prozent war die PS nur zweitstärkste Kraft hinter den beiden Rechtsparteien, der konservativen Sozialdemokratischen Partei Portugals (PSD) und den katholischen Volksnationalisten (CDS-PP). Beide waren in einer Koalition angetreten und auf gut 37 Prozent gekommen. Es wurde damit gerechnet, dass die nach der Nelkenrevolution 1974 zerstrittene Linke weiter ihre Grabenkämpfe ausfechten würde, anstatt für Verbesserungen für die Bevölkerung zu sorgen.
Und die waren dringend nötig. 2015 litt die Bevölkerung im ohnehin armen Land zusätzlich unter dem EU-Kreditprogramm, das 2011 die Staatspleite abwendete. Das von den staatlichen Gläubigern verordnete Austeritätsprogramm führte - wie in anderen Ländern - zur weiteren Verarmung, zu Arbeitslosigkeit, Erhöhungen von Steuern, Senkung von Löhnen und Renten. Doch diese historische Situation und der massive Druck der Straße - Portugal war auch der europäische Geburtsort der Empörten-Bewegung - führten dazu, dass die Linkskoalition CDU, die von den Kommunisten (PCP) geführt wird, genauso über ihren Schatten sprang wie der erst 1999 gegründete marxistische Linksblock (BE).
PCP-Chef Jerónimo de Sousa machte Costa das Angebot, eine Alternative zur Rechtspolitik auf den Weg zu bringen. Er sagte: »Die PS wird nur dann keine Regierung bilden, wenn sie es nicht will.« Was die PS früher stets abgelehnt hatte, wurde nun möglich. Costa ließ sich von den linksradikalen Kräften tolerieren. So sprach auch BE-Mitbegründer und Führungsmitglied Francisco Louçã von einer »politischen Überraschung«. Rechte Beobachter gaben dieser Regierung eine Verfallszeit bis zum nächsten Haushalt. Erwartet wurde, dass man sich spätestens daran zerstreiten würde.
Doch es kam anders. Die »Geringonça« regierte trotz Widersprüchen über vier Jahre. Der Kitt war für Louçã der »Druck der Straße, nach der sozialen Katastrophe durch die Austeritätsprogramme«. So blieb Portugal trotz Reibereien stabil. Aus dem Nachbarland Spanien, wo im November die vierten Wahlen in nur vier Jahren anstehen, da Machtspiele der Parteien im Vordergrund stehen, schauen viele Einwohner neidisch auf Portugal.
Von den linksradikalen Kräften getrieben, musste Costa Zugeständnisse machen, und so wurde die PS zum Bruch mit der Austeritätspolitik gezwungen. Einschnitte wurden sukzessive zurückgefahren, Steuern gesenkt, Sondersteuern abgeschafft, Renten und Löhne erhöht - der Mindestlohn sogar um 20 Prozent. So war es kein »Wunder«, wie der Journalist David Oliveira feststellt, sondern ein »möglicher Sieg« der »Geringonça«. Die Erhöhung der Kaufkraft hat die Erholung im Land beschleunigt, das Vertrauen in die Wirtschaft gestärkt, Arbeitsplätze geschaffen und die Kassen von Finanzämtern und der Sozialversicherung gefüllt.
Der Wirtschaftswissenschaftler Louçã unterstreicht, dass darüber ein nachhaltiges Wachstum über alle vier Regierungsjahre geschaffen wurde. Die Arbeitslosigkeit sank in dieser Zeit von 14 auf gut 6 Prozent. Der Haushalt ist ausgeglichen, und im ersten Quartal verzeichnete Portugal sogar einen Überschuss, nachdem es zuvor schon Primärüberschüsse, also vor Zins- und Tilgungszahlungen für den Schuldendienst, ausweisen konnte. Die Schuldenlast wurde zudem durch verfrühte Rückzahlung teurer IWF-»Rettungskredite« um etwa eine Milliarde Euro gesenkt.
Der direkte Vergleich mit Spanien macht die Erfolge noch deutlicher. Die Arbeitslosenquote liegt in Spanien noch immer bei 14 Prozent, die Arbeitsbedingungen sind extrem prekär, und mehr als 90 Prozent aller neuen Verträge werden befristet geschlossen. Das Sozialsystem ist ausgeblutet, die Rentenreserven aufgebraucht. Spanier gehen nun nach Portugal arbeiten. Das Defizit konnte zwar erstmals 2018 leicht unter die Drei-Prozent-Grenze gedrückt werden. Doch mittlerweile hat sich die Konjunktur eingetrübt. Die instabile politische Lage in Spanien bremst Investitionen und Konsum. Portugal hat es da besser, weswegen António Costa vor einem deutlichen Wahlsieg steht. Mal sehen, was er dieses Mal daraus macht.
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