- Politik
- Venezuela
Maduros Schulden setzen Guaidó unter Druck
Die drohende Nichtbedienung einer Anleihe könnte dazu führen, dass Venezuelas Opposition die Kontrolle über die Ölfirma Citgo verliert
Anfang August unterzeichnete US-Präsident Donald Trump ein Dekret, das alle Vermögenswerte der venezolanischen Regierung in den Vereinigten Staaten einfriert. »Angesichts dieser Maßnahme sind Citgo und alle seine Vermögenswerte geschützt«, twitterte Venezuelas selbst ernannter Interimspräsident Juan Guaidó damals. »Wer von der Krise profitieren will, wird vertrieben.« Doch könnte eine Ende des Monats fällig werdende Zinszahlung auf Anleihen des venezolanischen staatlichen Ölkonzerns Petróleos de Venezuela (PdVSA) dazu führen, dass Guaidó wieder die Kontrolle über Citgo verliert.
Citgo ist eine Tochtergesellschaft von PdVSA mit Sitz in Houston. Durch US-Sanktionen gegen die Regierung von Nicolás Maduro im Januar dieses Jahres war das Erdölunternehmen von seiner Muttergesellschaft getrennt und der venezolanischen Opposition übergeben worden. Seit Februar wird es von einem Vorstand geleitet, der von Oppositionsführer Guaidó ernannt wurde. Denn Guaidó wird von den USA und mehr als 50 Ländern als Interimspräsident Venezuelas anerkannt, weil sie die zweite Amtszeit von Maduro für unzulässig halten.
Citgo ist so etwas wie das Kronjuwel des venezolanischen Auslandsvermögens. Es ermöglichte der Regierung einst, Rohöl auf dem US-Markt zu verkaufen, und fungierte als Sicherheit für aufgenommene Schulden. Vor den im Januar von der Trump-Administration verhängten Sanktionen exportierte PdVSA mithilfe des Unternehmens täglich 500 000 Barrel Öl zur Verarbeitung. Citgo verfügt über Raffinerien und Tankstellen in den USA.
Ende des Monats wird nun eine Zahlung in Höhe von 913 Millionen US-Dollar an Inhaber einer Anleihe mit einer Laufzeit bis 2020 fällig, die von PdVSA ausgegeben wurde. Venezuela hatte lange Angst davor, diese Zinsen nicht begleichen zu können. Denn abgesichert ist die Anleihe durch eine Mehrheit der Anteile an Citgo. Eine Nichtbedienung der Verbindlichkeiten könnte also bedeuten, dass Citgo verpfändet wird und Venezuela dadurch die Kontrolle über das Unternehmen verliert.
So versucht auch die Opposition jetzt zu vermeiden, dass die Gläubiger die Mehrheit an dem Unternehmen erlangen. Denn würde Citgo verpfändet, wäre das für Guaidó verheerend - zumal seine Bemühungen, Präsident Maduro zu stürzen, ins Stocken gerieten und er an Rückhalt verliert. Im April leistete die von Guaidó angeführte Nationalversammlung deshalb eine Zinszahlung in Höhe von 71 Millionen US-Dollar. Doch Ende Oktober geht es um ein Vielfaches dieser Summe.
Guaidó meint zwar, Citgo und alle Vermögenswerte seien geschützt. Doch da könnte er sich täuschen. Die Anwaltskanzlei Cleary Gottlieb, die Gläubiger vertritt, die etwa neun Milliarden US-Dollar an venezolanischen Schulden halten, erklärte jüngst, dass man keine »Grundlage« für die Schlussfolgerung des Oppositionsführers zu Citgo sehe. Auf der Grundlage der bestehenden rechtlichen Leitlinien des Büros für die Kontrolle ausländischer Vermögenswerte im US-Finanzministerium (OFAC) »haben wir den Eindruck, dass die Inhaber der 2020er-Anleihen nach wie vor die Befugnis haben, ihre Sicherheiten einzufordern«, hieß es. Ein Beamter des US-Finanzministeriums bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP diese Einschätzung.
Die Kanzlei verwies zudem auf eine frühere Verordnung des US-Finanzministeriums, die Gläubiger der fraglichen Anleihe von Sanktionen befreit. Das bedeutet, dass sie weiterhin Citgo nachstellen könnten, wenn Venezuela eine Zahlung nicht erfüllt. Damit sollte ursprünglich wohl auch verhindert werden, dass Maduro ungestraft die Zinszahlung aussetzen kann. Denn die US-Regierung war daran interessiert, den finanziellen Druck auf Caracas aufrechtzuerhalten. Doch das war alles vor Guaidó.
Vertreter des Interimspräsidenten setzen deshalb Trump nun unter Druck. Er soll für sie eine Anordnung erlassen, die Citgo vor Gläubigern schützt. Bisher aber hat die US-Regierung keine Maßnahmen ergriffen. Und die Zeit wird knapp.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.