»Die können einen zuverlässig umbringen«

nd-Wissenschaftsredakteur Dr. Steffen Schmidt klärt über Stinkmorcheln und das richtige Pilzwetter auf

  • Samuela Nickel
  • Lesedauer: 3 Min.

Heute regnet es den ganzen Tag. Ist das nun gutes Pilzwetter?

Wenn es dann wieder etwas wärmer wird, ja. Zumindest für die Pilze, die man gerne isst, wie Steinpilze, Maronen und Pfifferlinge. Den anderen Pilzen ist es nicht unbedingt wichtig, dass es so warm ist. Schimmelpilze sind durchaus auch mit Kühle zufrieden, wie leicht anhand von Gemeinschaftskühlschränken zu sehen ist.

Zur Person
Dr. Steffen Schmidt, Jahrgang 1952, ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Auf fast jede Frage weiß er eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eine andere.

Heutzutage benutzen viele beim Pilzesammeln eine App. Ob das gut geht?

Also bei kritischen Pilzen würde ich Apps wahrscheinlich nicht für ausreichend halten. Es gibt ähnliche Apps für die Bestimmung von Pflanzen. Das Ergebnis ist da aber eher trostlos.

Kann es denn gefährlich werden?

Ich denke mal, wenn die Trefferquote bei Pilzen ähnlich mies ist, dann ist es durchaus lebensgefährlich. Einige Pilze können einen ja wirklich ziemlich zuverlässig umbringen. Der Grüne Knollenblätterpilz ist berühmt dafür und eine der Ursachen für Lebertotalschäden, neben dem Saufen und Hepatitiserkrankungen. Und diesen Giftpilz kann man in manchen Wäldern, wenn man nicht richtig hinguckt und die App das auch nicht so genau nimmt, durchaus mit essbaren Pilzen verwechseln.

Die »Gemeine Stinkmorchel« ist Pilz des Jahres geworden. Das klingt eher wie eine Beleidigung. Kann man den essen?

Die Stinkmorchel ist ziemlich ungenießbar und eher interessant für das Biotop, weil sie Insekten ganz nützlich ist. Wenn sie richtig ausgewachsen ist, ist sie eine einheimische Konkurrenz zu tropischen Stinkern wie dem Titanwurz und Rafflesien. Auch die stinken nach Aas. Andere Morcheln - Speisemorchel und Spitzmorchel - sind allerdings sehr begehrt.

Wobei die meisten Pilze eine andere Auswirkung auf die Umgebung haben - der wichtigste Pilz für die menschliche Kultur ist Hefe. Die ist nicht nur wegen der alkoholischen Gärung wichtig, sondern natürlich auch fürs Backen, und inzwischen auch für die Biotechnologie unentbehrlich, um Substanzen zu produzieren, die man mit Bakterien nicht herstellen kann.

Sind Pilz und Mensch also eine Symbiose eingegangen?

Nee. Das tun aber Algen und Pilze, die leben in Symbiose - als Flechten. Pilze, früher zu den Pflanzen gerechnet, bilden heute ein eigenes Reich: Sie sind wie Tiere darauf angewiesen, organische Nahrung vorzufinden, und sind nicht selbst in der Lage, Photosynthese zu betreiben.

Ein anderer Pilz hat auch tief in die Geschichte eingegriffen: Der Kartoffelmehltau hat im 19. Jahrhundert fast die gesamte irische Kartoffelernte ruiniert, eine Million Iren sind verhungert. Das Ergebnis war die größte irische Auswanderung aller Zeiten nach Amerika. Und zu den Auswanderern in die Vereinigten Staaten dieser Zeit gehörte auch die Familie Kennedy.

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