Keine Entspannung in Sicht

Martin Ling über Spaniens Umgang mit Katalonien

Spaniens sozialdemokratischer Ministerpräsident Pedro Sánchez lag falsch: »Die heutige Entscheidung bestätigt die Niederlage einer Bewegung, die keine interne Unterstützung und keine internationale Anerkennung erhalten hat.« Die Entscheidung war die Verurteilung von neun Unabhängigkeitsbefürwortern aus Politik und Zivilgesellschaft zu Haftstrafen von insgesamt 100 Jahren. Wer die breiten Proteste seit dem 14. Oktober bis hin zum freitäglichen Generalstreik und die fünf Märsche, bei denen Zigtausende bis zum Freitag aus ganz Katalonien nach Barcelona wanderten, verfolgt hat, weiß: Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung lebt.

Richtig ist, dass niemand weiß, wie stark sie wirklich ist, wie viele wirklich dem spanischen Staat den Rücken kehren wollen. Dass es niemand weiß, liegt an der Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts für die Katalanen, wie es den Schotten 2014 vom britischen Parlament eingeräumt wurde. Die Unabhängigkeitsbewegung fordert nicht die Unabhängigkeit, sondern das Recht, darüber entscheiden zu dürfen.

Mindestens bis zu den spanischen Neuwahlen am 10. November ist ein Ende der Konfrontation nicht in Sicht. Es besteht die Gefahr, dass die von der Unabhängigkeitsbewegung verurteilten gewalttätigen Proteste von kleinen Gruppen und mutmaßlichen Agents provocateurs zunehmen. Und nichts spricht im Moment dafür, dass die Neuwahlen eine Tür zu der von Sánchez rhetorisch angestrebten »friedlichen Ko-Existenz in Katalonien durch Dialog« aufmachen. Denn die einzige sich abzeichnende stabile Mehrheitskoalition wäre jene von PSOE und der rechten Vorgängerregierung PP. Und das hieße mehr vom Gleichen: Repression statt Dialog.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.