All das Gute, was von der DDR bleibt
Sandmann, Küchenwunder, Kinderlieder - treue Begleiter seit Jahrzehnten
Vor 30 Jahren fiel die Mauer. Überall sind Geschichten vom 9. November zu lesen - vor allem von der Zeit danach. Wir bei der »Commune« haben uns gefragt: Was begleitet uns noch heute aus der Zeit vor dem Mauerfall - zu Hause, im Alltag, bei der täglichen Arbeit. Ich beispielsweise habe nach wie vor die Angewohnheit, meinem Gegenüber zur Begrüßung die Hand zu geben. Allerdings weiß ich nicht genau, ist das eine ostdeutsche Eigenart oder eher eine Typfrage?
Jeder von uns hat seine eigenen Begleiter aus DDR-Tagen, auffällig viele haben in der Küche überlebt.
Anke Ziebell
Qualitätsarbeit eben
Spätestens wenn die Kornäpfel reif sind, hole ich meinen Einkoch- und Entsaftungsautomaten aus dem Regal, um tagelang Gläser mit Apfelmus zu sterilisieren. Mehr als 50 waren es im vergangenen Jahr - ich kann einfach nicht sehen, dass Obst vergammelt. Mit dem Absatz habe ich keine Problem: Familie, Freunde und Bekannte freuen sich über Selbstgemachtes. Seit über 40 Jahren ist mir dabei mein »Top.Vit« von AKA electric der VVB Elektrische Konsumgüter ein treuer, zuverlässiger Helfer. Seit 1978, als ich ihn kaufte, habe ich damit Hunderte Gläser Obst und Gemüse eingekocht, viele Liter Saft erzeugt, den Dampfentsafter manchmal auch zum Dämpfen von Hefeklößen zweckentfremdet. Nirgends werden sie fluffiger als in diesem Wunderding. Vor wenigen Tagen erst war es wieder im Einsatz: Die Rote Bete im Garten war erntereif. Ich habe daraus einen köstlichen Salat zubereitet, in Gläser abgefüllt, diese in den Einkocher gestellt, Zeit und Temperatur gewählt und mich dann mit einem Buch und einer Tasse Tee zurückgezogen. Den Rest hat mein »Top.Vit« tipptopp selbstständig erledigt und sich nach getaner Arbeit abgeschaltet - so zuverlässig wie eh und je. Qualitätsarbeit eben!
Heidi Diehl
Schöne(s) Lieder
Als die Mauer fiel, war ich zehn Jahre alt. Eine gewisse »Ostalgie« ist mir fremd und ich gestalte viele Dinge bewusst anders, als ich sie in meiner DDR-Kindheit kennengelernt habe. Ein paar Dinge sind mir jedoch in so guter Erinnerung geblieben, dass ich sie unbedingt an meine Kinder weitergeben möchte.
Da ist die Musik des Liedermachers Gerhard Schöne, die mich schon seit meiner Kindheit begleitet. Meine Kinder lieben Schönes zeitlose und anspruchsvolle Musik. Es ist nicht so einfach, Musik und Literatur für Kinder zu finden, die ihnen auf Augenhöhe begegnen und ihre Gefühle und Gedanken so ernst nehmen und in Worte packen, wie das der wunderbare Gerhard Schöne macht.
Dann hat natürlich der Sandmann die Jahre überlebt. Inzwischen ist meine Tochter alt genug, um ihn zu entdecken. Sie ist begeistert von dem altmodisch anmutenden, aber aufwendig in Stop-Motion produzierten Abendgruß und den Geschichten vom kleinen Mann mit dem weißen Bart, der den Kindern mit seinem Schlafsand zu schönen Träumen verhilft. Schnatterinchen, Pittiplatsch, Herr Fuchs und Frau Elster und alle anderen Freunde haben bestimmt auch bald einen festen Platz an unserem Abend.
Katja Choudhuri
Nichts mehr addieren
Lässt man Haus, Hof, Garten Revue passieren, kommt bei uns ziemlich viel DDR vor. Wir fühlten uns 1989 für unseren Geschmack ziemlich komplett eingerichtet und ausgestattet. Ergänzt und ersetzt haben wir bis heute nur Sachen, die entweder zu DDR-Zeiten schwer zu haben waren oder überhaupt erst später erfunden wurden. Was gut und lange funktioniert, gefällt uns. Deshalb sind bei uns zum Beispiel noch in Gebrauch: Küchenmaschine (Komet RG 25), Küchenwaage (Metallwaren Wittenberg), Essbesteck (Smalcalda), Geschirr (Kahla und Henneberg), Gläser, Töpfe (Jenaer Glas), Weihnachtsschmuck (Erzgebirge und Zittau), stapelweise Schallplatten (Amiga und Eterna), fast alle Möbel (unter anderem Hellerau und Schleiz), zwei Diamant-Fahrräder (plus ein Fahrradschloss!), nicht elektrische Gartengeräte (Spaten- und Hackenstiele schon oft ersetzt) sowie die meisten nicht elektrischen Heimwerkzeuge (Multimax funktioniert auch noch!), Radiogeräte (Staßfurt und Stern-Radio), mechanische Wand- und Kaminuhr (Glashütte und Ruhla) sowie etwa drei Viertel unserer umfangreichen Literatur- und Sachbuchbibliothek, ein klassischer Ziehharmonika-Handarbeitskasten plus Inhalt, Deckenlampen (IKA elektrica), eine Stehlampe.
Meine Frau und ich stammen übrigens auch aus DDR-Zeiten. Bei uns gilt längst (spätestes seit die Kinder aus dem Haus sind) die Devise: »Nichts mehr addieren, nur noch subtrahieren!« Geistige Freiheit in Form von Werbungsresistenz ist dabei hilfreich.
Michael Müller
Russische Bonbonniere
»Ach du meine Nase, Platschquatsch!« - Mit großen Kulleraugen betrachtete einige Wochen nach ihrer Geburt meine Enkelin den Kobold aus meinen Kindertagen: Pittiplatsch! Ich freue mich, wenn sie ihn beim Bücheranschauen mit einem deutlichen »Da!« erkennt. Dieses plüschige Etwas, das im Jahre 1962 zum ersten Mal im Fernsehen der DDR zu sehen war, ist nun meiner Enkelin seit 2018 ein lieber Begleiter.
Ein Begleiter ganz anderer Art ist für mich ein kleines Glasgefäß aus Rauchglas. Vor 35 Jahren, während meiner Zeit an der Erdgastrasse in Perwomaiski, habe ich mir die Bonbonniere aus der Sowjetunion mitgebracht. Schon so manchen Umzug hat sie seitdem schadlos überstanden. Inzwischen hat sie einen festen Platz auf meinem Schreibtisch im »nd«. Die bauchige Schale ist beliebt bei meinen Kollegen und wird hin und wieder mit begehrlichen Blicken bedacht, enthält sie doch immer kleine Köstlichkeiten und versüßt uns den Arbeitsalltag.
Sabine Fielow
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