Der Hunger trifft Frauen am stärksten
In Nepal wird der Zugang zu Wissen über ökologische Landwirtschaft und Ernährung gefördert
Jeder sechste Mensch in Nepal leidet an Unterernährung. Für die Essenszubereitung sind auch in Nepal meist die Frauen zuständig. Trotzdem sind sie stärker von Hunger betroffen. In kulturellen Rangfolgen, die den Frauen als Letzten eine Mahlzeit zugestehen, bleibt von dem Wenigen, das viele Familien in der SODI-Projektregion Distrikt Dailekh in Westnepal an Nahrung besitzen, für Frauen fast nichts übrig.
Oft reichen die Ernteerträge nur für drei bis sechs Monate im Jahr. Auch kulturelle Praktiken wie das Chhaupadi stehen zwar seit 2017 unter Strafe, werden aber dennoch häufig praktiziert. Frauen, die während ihrer Menstruation nicht am Familienleben teilnehmen dürfen, bleiben obendrein in dieser Zeit Nahrungsmittel verwehrt, die sie eigentlich gerade dann am nötigsten brauchen: Milch, Eier, Fleisch und Gemüse. Stattdessen erhalten sie lediglich Reis und Salz. Dabei nehmen Frauen viel auf sich. Während sich bis zu 85 Prozent der Männer zeitweise in Indien als Gastarbeiter verdingen müssen, bleiben die Frauen in ihren Heimatdörfern zurück. Ihre Arbeitsbelastung ist oft sehr hoch.
Der Zugang zu Wissen über ökologische Landwirtschaft und gesunde Ernährung ist wesentlicher Bestandteil für eine bessere Situation in der Bergregion. Im vorangegangenen Projekt von SODI und seinem nepalesischen Partner SAHAS in anderen Gemeinden des Distrikts konnten die Eigenversorgung bereits verbessert und das kritische Bewusstsein über rückschrittliche Praktiken gestärkt werden. Früher fuhren Werbeautos durch die Gemeinden, die die vermeintlichen Vorzüge von Instantnudelsuppen und chemischem Dünger in die Dörfer trugen. »Heute weiß ich, dass Junk Food nicht gut für mich und meine Kinder ist«, sagt Debika Sunar, eine junge Mutter aus der Kaste der Dalits (»Unberührbaren«). »Ich spare das Geld nun oder kann es für etwas Sinnvolles wie Öl zum Kochen ausgeben«.
Über die Gründung von 45 gemeindebasierten Organisationen (CBOs) wird nicht nur das ökologische Wissen nachhaltig in den Dörfern verbreitet und erhalten, es werden ebenfalls Maßnahmen zur Sensibilisierung für soziale, kulturelle und politische Diskriminierung durchgeführt. »Bei unserer Arbeit in anderen Gemeinden zeigte sich bereits, dass die Reflektion von gesellschaftlichen und genderdiskriminierenden Praktiken einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit leistet«, sagt Surendra Shrestha, Direktor von SAHAS. Deshalb freuen sich die Mitarbeiter*innen besonders, dass anstatt der geplanten 50-Prozent-Frauenbeteiligung die CBOs sogar zu 80 Prozent aus Frauen aller sozialen Schichten bestehen. Mit dem hier entwickelten Selbsthilfepotenzial und Perspektivenreichtum werden die Gemeinden ebenfalls befähigt, ihre Dörfer weiterzuentwickeln, zum Beispiel durch Anfrage von Unterstützungen bei Institutionen und Behörden oder durch kleinere Infrastrukturprojekte wie die Wartung von Schulgebäuden oder Bewässerungsanlagen.
Durch den Bau von Hausgärten und ökologische Anbaumethoden wie Agro-Biodiversität wappnen sich die Bewohner*innen von Dailekh gegen die zunehmenden Folgen des Klimawandels und können sich ganzjährig versorgen. Ihre gesteigerten Ernteerträge sollen es vor allem Frauen und Jugendlichen ermöglichen, ein zusätzliches Einkommen zu generieren. »Anfangs fiel mir der Anbau von Tomaten schwer. Aber als die Früchte wuchsen und meine Tochter mit dem Verkauf von sechs Kilogramm Tomaten 480 Nepalesische Rupien (vier Euro) für uns verdiente, war ich glücklich«, sagt Dipa Kumari Khatri, Vorsitzende einer CBO in der Gemeinde Mahabu.
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