Dribbeln statt tanzen

Alba Berlin unterstützt seit Neuestem lieber seine Basketballerinnen als die Cheerleaderinnen

Der Albatros tanzt. Er lässt seine Hüften kreisen und hüpft dann bäuchlings übers Parkett. 2100 Menschen auf der Tribüne schauen ihm zu, klatschen im Rhythmus der Musik - und bei besonders ausgefallenen Bewegungen des weiß-zotteligen Stoffmaskottchens gibt es Szenenapplaus. Der Albatros ist der letzte Cheerleader des Basketballklubs Alba Berlin. Knapp bekleidete junge Frauen, die ihren Po nach hinten und die Brüste nach vorn strecken, gibt es nicht mehr in der Arena am Ostbahnhof. Statt der Alba Dancers spielen Frauen an diesem Samstagnachmittag selbst Basketball. Und in der Auszeit kommt ein Mann im Vogelkostüm, um den Zuschauern die Zeit zu vertreiben. Alba geht neue Wege.

Auch mit dem Doppelspieltag, bei dem am vergangenen Wochenende zuerst die Frauen ihre Zweitligapartie gegen BBZ Opladen spielen, und eine Stunde später die Männer in der ersten Liga gegen die Baskets Oldenburg antreten. »Das Auftreten junger Frauen als attraktive Pausenfüller passt nicht mehr in unsere Zeit«, hat Geschäftsführer Marco Baldi das Aus für die Cheerleaderinnen nach 25 Jahren im September begründet. Es sei der Eindruck entstanden, dass Frauen für die tanzende Pausenunterhaltung zuständig seien, während die Männer Basketball spielten. Dabei sind längst mehr Mädchen und Frauen in Albas Basketballabteilung aktiv als in den Tanzgruppen. Laut Nachwuchskoordinator Henning Harnisch spielen hier 450 Basketballerinnen in 20 Teams: »Die Nachfrage ist riesengroß, und wir sind schon jetzt mit Abstand der größte Mädchen- und Frauenbasketballverein Deutschlands.« Nur sah der Zuschauer das nie in der großen Arena.

Da Männer und Frauen in dieser Saison nur an zwei Tagen gemeinsam zu Hause spielen, und die gegnerischen Teams sowie die Ligen zustimmen müssen, bleibt der gemeinsame Auftritt erst mal ein Einzelfall. Immerhin aber einer, den alle Beteiligten wiederholen wollen. »Es war superschön, eine Erfahrung, die ich im Frauenbasketball noch nie erlebt habe«, sagt Lena Gohlisch. Sonst spielt sie mit ihren Kolleginnen in einer Halle im Bezirk Prenzlauer Berg, die nicht einmal Tribünen hat. Am Spieltag werden Stühle reingetragen, auf denen dann 300 Zuschauer Platz nehmen. An diesem Samstag sind es mehr als 2000, die in der zweiten Halbzeit richtig laut werden, als Alba einen großen Rückstand aufholt. Am Ende reicht es doch nicht zum Sieg, aber das scheint unwichtig. »Auch wenn wir verloren haben, würden wir das immer wieder machen«, sagt Gohlisch.

Die 26-Jährige hat 2003 mit Basketball angefangen. »Das waren die Anfänge von Albas Jugendarbeit. Da haben sie nur den Bereich der ganz Kleinen für Mädchen bedient. Dann wurde ich zu alt und wechselte zu einem anderen Berliner Verein.« Es gab noch keine Mädchenteams bei Alba. Später sei das Niveau dort nicht hoch genug gewesen, und Gohlisch spielte ein paar Jahre in der zweiten Bundesliga sowie ein Jahr in der ersten bei Hannover In diesem Sommer aber kehrte sie in die Heimat zurück. Die Medizinstudentin absolviert ihr praktisches Jahr in einem Berliner Krankenhaus. Die meisten deutschen Basketballerinnen müssen sich wie sie nach einem Spielort umsehen, der zu Studium oder Job passt. Gohlisch denkt mit 26 sogar schon übers Karriereende nach. Will sie bald als Klinikärztin anfangen, wären die Dienste kaum noch mit dem Trainingsalltag vereinbar. »Ich weiß noch nicht, wie es nächstes Jahr weitergeht, aber ich konzentriere mich erst mal aufs Jetzt. Und jetzt macht es wirklich viel Spaß.«

Seit dieser Saison stimme nämlich das Niveau im Frauenteam von Alba: »Sie bieten uns jetzt tolle Chancen: Wir bekommen immer ein Einzeltraining, wenn wir das wollen, und fahren nicht mehr in Kleinbussen zu Auswärtsspielen, sondern im Profibus«, beschreibt Gohlisch einige Änderungen. Die Playoffs der besten acht von elf Teams der 2. Bundesliga Nord sind das erklärte Ziel. Alba ist derzeit Siebenter, hat aber viele Spiele nur knapp verloren, wie auch das 68:74 gegen den Tabellenzweiten Opladen. Theoretisch ist der Aufstieg in die erste Liga möglich.

Für Sportdirektor Himar Ojeda ist das irgendwann in den kommenden Jahren ein Muss. Albas Philosophie sei nun mal, sich mit den Besten zu messen. Und das gelte fortan auch für die Frauen. Der Spanier spricht von einem Fünf-Jahres-Plan. Dann soll auch Albas Frauenteam im Europapokal spielen. »Wir werden aber nichts überstürzen, um nur fürs bessere Image irgendetwas Künstliches zu erschaffen. Wir wollen lieber etwas Solides aufbauen«, sagt Ojeda.

Alba setzt auf selbst ausgebildete Talente aus Berlin, und möchte nur vereinzelt Kräfte von außen verpflichten, die helfen, das Niveau zu steigern. So wurde mit Erika Livermore im Sommer die erste Profispielerin aus den USA verpflichtet. Sie hatte vorher in England, Australien und Spanien gespielt. Ojeda kannte ihren Agenten, und Livermore fand das Projekt spannend. Es passte. Die Amerikanerin kennt große Arenen und Doppelspieltage mit Männerteams aus ihrer College-Zeit. »Es ist eine gute Gelegenheit, uns zu zeigen. Es wäre toll, wenn es auch hier zur Normalität wird«, sagt die 26-Jährige Weltenbummlerin. Alba bezahlt ihr eine Wohnung und deckt die meisten anderen Ausgaben, dazu gibt es ein kleines Taschengeld. Reich wird man aber nicht als Basketballerin in Deutschland. »Für das Geld mache ich das nicht. Es geht mir um die Erfahrung: Das, was ich liebe, ist zu meinem Job geworden, und nebenbei darf ich die Welt bereisen. Das genieße ich so lange, bis ich irgendwann mal mit einer echten Arbeit anfangen muss«, sagt Livermore.

Noch kann sie sich also ganz auf den Sport konzentrieren. Genau das will der Verein künftig auch seinen deutschen Spielerinnen bieten. »Wir müssen versuchen, auch die Frauen zu professionalisieren«, sagt Himar Ojeda. Also wurden schon mal deren Trainings- und Reisebedingungen verbessert. Das Geld dafür habe man aber nicht den Cheerleaderinnen genommen, versichert Ojeda: »Das kam aus meinem Sportbudget, nicht aus dem Entertainmenttopf.« Kaum überraschend begrüßen die Basketballerinnen den Sinneswandel: »Das ist eine ganz wichtige Botschaft. Alle jungen Mädchen, die heute in der Halle waren und auch Basketballerinnen werden wollen, können ihre Vorbilder sehen und wissen jetzt, dass man für Leistungssport nicht mehr wegziehen muss«, sagt Flügelspielerin Ireti Amojo.

Die tiefgreifendsten Änderungen müssten aber in den Köpfen der Fans geschehen, meint Ojeda. »Dafür sorgen wir, indem wir auch den Basketballerinnen einen Wert beimessen. Manche Zuschauer kommen und denken, sie können da kostenlos rein. Aber wir lassen sie zahlen, denn das hat einen Wert. Die Spielerinnen trainieren hart, geben alles für einen Sieg. Wir verdienen nicht wirklich etwas daran, aber es geht um den Eindruck, den wir hinterlassen«, sagt der Sportdirektor. Ojeda wünscht sich, dass nun auch andere Männerklubs dem Beispiel folgen. Die nötigen professionellen Strukturen seien dort schließlich schon vorhanden. Ein Erstliga-Frauenteam leistet sich bislang aber kein BBL-Klub. Mit Ausnahme von Alba und der BG Göttingen haben aber alle noch eigene Cheerleaderinnen.

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