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Revisionistische Schmierigkeit
Pastellfarbene schöne Nazi-Zeit: das Remake des Heimatfilms »Die Trapp-Familie« im ZDF
Ach, muss Weihnachten im Kreise der Liebsten doch heiter, schön und besinnlich sein! Papa schmückt den Baum und Mama backt Plätzchen, Opa sitzt am Klavier und Oma im Sessel, die Jungs tragen Scheitel und die Mädchen Zöpfe, im Kamin prasselt ein Feuer, vor der Tür liegt Schnee, und über die festlich weiße Gebirgslandschaft weht Überwältigungsmusik der glückseligsten Art. Würde nur die kleine Kirstie nicht schmollen - Weihnachten bei Familie Trapp wäre so sorglos US-amerikanisch wie die Flagge der Vereinigten Staaten im Winterwind vor der prachtvollen Hütte.
So und nicht anders wünschen sich harmoniesüchtige Zuschauer Heiligabend am Bildschirm. So und nicht anders werden sie vom ZDF auch bedient, und so und nicht anders steht es halt in der Autobiografie von Agathe, jüngster Spross derer von Trapp, die 1938 vor den Nazis (und ihrer finanziellen Nöte) in die USA geflohen sind - um dort als Chor Berühmtheit zu erlangen.
Gut, ganz genauso wie in Christoph Silbers Drehbuchadaption steht es in der Autobiografie natürlich nicht; die raue Wirklichkeit einer solchen Fluchterzählung war schon etwas, nun ja: realer, als es das Nachmittagsprogramm im ZDF verträgt. Aber so glatt, wie es hier vom Kino ins Fernsehen suppt - darüber müssen wir kurz mal ein Wörtchen reden. Ein ernstes Wörtchen.
Vor 63 Jahren gab es ja schon einmal einen Film, der das Schicksal dieser singenden Verwandtschaft zum Thema hatte. Auch er hieß »Die Trapp-Familie« und brachte Ruth Leuweriks stagnierende Laufbahn wieder in Schwung - in Gestalt einer schönen Nonne, die Hitlers gottbegnadeten Ufa-Schauspieler Hans Holt in der Rolle als verwitweten k.u.k-Offizier Georg Ludwig Ritter von Trapp heiratet. Dem Nazi-Regisseur Wolfgang Liebeneiner waren die Gefühle seiner Figuren dabei ersichtlich wichtiger als die politischen Fragen nach Schuld und Sühne, Verantwortung, gar dem Holocaust. Aber gut, das war 1956. Nach zwölf Jahren Diktatur, fünf davon Kriegsjahre, sedierte sich das Tätervolk mit Heimatschnulzen, dass die Heide nur so grünte.
Was allerdings Liebeneiners Nachfolger Ben Verbong geritten hat, im Jahr 2015 - als die AfD nur ein versprengtes Häuflein rechtsextremer Schreihälse war, deren Hass im Chor der demokratischen Mehrheitsgesellschaft verhallte - ein eskapistisches Rührstück jenseits historischer Kontexte zu drehen, bleibt wohl sein Geheimnis.
Jedenfalls befreit der Kinderfilmemacher (»Das Sams«) die Fluchtgeschichte der Familie Trapp von beinahe allem, was daran politisch interessant sein könnte, und macht aus ihr einen bis zur Besinnungslosigkeit geigenumflorten Kitschfilm.
Ganz im Sinne des Untertitels »Ein Leben für die Musik« (der schon deshalb Unsinn ist, weil sich Agathe nach dem Tod ihrer Mutter fast bis zum Ende des Films weigert zu musizieren) kommen Nazis nur in Gestalt des früheren Chauffeurs Konrad (Cornelius Obonya) und eines Kneipenschlägers vor. Wenn die greise Autorin (Rosemary Harris) ihrer ausgerissenen Enkelin (Laurin Canny) also in Rückblenden von der eigenen Jugend (Eliza Bennet) zwischen Alpenidylle und US-Exil, supernettem Vati (Matthew Macfadyen) und supersüßer Stiefmutter (Yvonne Catterfeld) erzählt, strahlt die Sonne auch in Momenten wachsender Verzweiflung kraftvoll durchs Fenster.
Nie, wirklich niemals beginnt irgendeiner der Guten zu schwanken - selbst wenn er dafür, wie Agathes sozialistischer Freund Sigi (Johannes Nussbaumer), übel verdroschen wird. Der ganze Duktus dieser österreichisch-deutschen Exkulpation ist von so revisionistischer Schmierigkeit, dass die lausige Synchronisation des englischen Originals ausnahmsweise mal nicht das Schlimmste ist.
Noch schlimmer ist schließlich, dass sich Film und Fernsehen auch sechs Jahrzehnte nach der Heimatfilmschwemme nicht zu schade sind, die Nazi-Zeit in Pastellfarben zu schildern, als sei am Ende eben doch Hitler allein unser Unglück gewesen - und nicht eine Bevölkerung, die ihm größtenteils bedingungslos gefolgt ist.
»Die Trapp-Familie - Ein Leben für die Musik«, 1. Dezember, 15 Uhr, ZDF.
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