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Von der Seele gemalt
Das Museum Reina Sofía in Madrid zeigt das Werk der Auschwitz-Überlebenden und Künstlerin Ceija Stojka
Esto ha pasado» («Das ist geschehen») lautet der Titel der Ausstellung, die vor wenigen Tagen in dem international renommierten Museum Reina Sofía im Zentrum Madrids eröffnet wurde. Gezeigt werden Werke der österreichischen Malerin Ceija Stojka (1933–2013). Dass es den Porajmos (Romanes: «das Verschlingen») – das Wort bezeichnet den von den Nazis und ihren Helfershelfern verübten Völkermord an den europäischen Roma und Sinti – gegeben hat, davon konnte Ceija Stojka in detaillierter Weise berichten. Sie war Angehörige der den Roma zugehörigen Lovara. Nur knapp war sie mit ihrer Mutter, Maria Sidonie Rigo Stojka, und den meisten ihrer Geschwister der Ermordung in Auschwitz-Birkenau entkommen, wohin sie Ende März 1943 aus Wien deportiert worden waren. Noch vor der Liquidierung des «Zigeunerlagers» am 2./3. August 1944 sorgte die Mutter, die großes Glück hatte, mit Geschick dafür, dass sie und die Kinder in andere Lager verfrachtet wurden. Der Vater, Karl Wackar Horvath, war bereits 1943 in Hartheim ermordet worden, und Ceija Stojkas kleiner Bruder Ossi überlebte Josef Mengeles medizinische «Experimente» nicht.
Der Ausstellungstitel klingt wie ein Beharren auf den Tatsachen, als Strategie gegen die Leugner und Relativierer, die nun in mehreren Parlamenten in Europa sitzen und für die die zwölf Jahre unter Hitler nichts anderes als ein «Fliegenschiss» in der deutschen Geschichte sind.
Mit einer schier unbändigen Energie hat sich Ceija Stojka ihr Trauma von der Seele gemalt. Während die ersten Nachkriegsjahre mit Verdrängen, der Gründung einer Familie und einer neuen Existenz als Teppichhändlerin in Wien zu bewältigen waren, spielten sich die Erinnerungen immer stärker in den Vordergrund. Diese wurden nicht nur in vielen Notizbüchern festgehalten, sondern auch mit starker visueller Sprache und eigener Metaphorik in Bildern fixiert. In einem nur vage zu schätzenden Gesamtwerk von weit über 1000 Zeichnungen, Gouachen und Acrylgemälden hat Stojka in den letzten 20 Lebensjahren ihre Biografie festgehalten. In der letzten Etappe ihres Daseins wurde sie zu einer wichtigen Aktivistin und beschrieb ihre Ängste in Texten: «Ich habe Angst, dass Europa seine Vergangenheit vergisst und dass Auschwitz nur schläft. Antiziganistische Bedrohungen, Strategien und Aktionen besorgen mich zutiefst und machen mich sehr traurig.»
Erste Publizität hatte sie durch die von der österreichischen Autorin und Filmemacherin Karin Berger edierten Bücher und zwei Dokumentarfilme erlangt. Ceija Stojka war also längst keine Unbekannte mehr und präsentierte auch in vielen kleinen Ausstellungen ihre Bilder, die aber eher als «Outsider-Kunst» und als «naiv» gelabelt wurden. 2014 wurden postum, begleitend zu drei Ausstellungen, unter dem Titel «Sogar der Tod hat Angst vor Auschwitz» nahezu alle verfügbaren Arbeiten der Künstlerin zum Porajmos in einem umfangreichen Buch veröffentlicht. Zum ersten Mal wurden dafür die Rückseitentexte der Künstlerin als integraler Bestandteil des Werkes bewertet und abgedruckt. Mit dieser Publikation erhielt das Œuvre schlagartig eine neue Aufmerksamkeit, so auch die des Mäzens und Kunstsammlers Antoine de Galbert, der die private Kunststiftung «La Maison Rouge» in Paris betrieb. Für ihn konzipierten Paula Aisemberg, Xavier Marchand und Noëlig Le Roux eine große Ausstellung mit Arbeiten Stojkas, die eine fulminante Rezeption erfuhr. In leicht veränderter Fassung wurde sie im Frühjahr 2019 in Nijmegen gezeigt, nun ist sie in Madrid zu sehen. Ebenso wie 2014 in Berlin sind die Werke entlang der Lebens- und Leidensstationen Stojkas organisiert. Die Ausstellung beginnt mit Acrylgemälden, die Lovara mit Wohnwagen und Pferden in grüner Landschaft zeigen. Allmählich schleichen sich in die stark romantisierten Idyllen nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland die ersten Hakenkreuze. Es folgt die Festsetzung in Wien, dann die Konzentration in der Rossauer Lände und Ende März 1943 die Deportation nach Auschwitz. Die Leidensgeschichte setzt sich mit Ravensbrück und Bergen-Belsen fort, wo britische Soldaten die letzten Überlebenden, umgeben von Leichenbergen Verhungerter, am 15. April 1945 befreien. Die Familie trifft sich nach monatelangen Fußmärschen wieder in Wien.
Das Museum Reina Sofía verzichtet nicht nur darauf, die Künstlerin bereits im Titel als Romni vorzustellen, sondern auch auf den fragwürdigen und aus einer paternalistischen Haltung heraus verwendeten Terminus der «Outsider-Kunst». Leider sind in der Ausstellung nur wenige Blätter des zentralen Zyklus an Zeichnungen und Gouachen zu sehen, den Ceija Stojka unter dem Titel «Sogar der Tod hat Angst vor Auschwitz» im Lauf von 18 Jahren schuf. Seit der letztjährigen Pariser Ausstellung erfolgten zahlreiche Verkäufe über eine Pariser Galerie, mit der Stojkas Erben zusammenarbeiten. So positiv die Nobilitierung des Œuvres durch den Kunstmarkt ist, sie trägt dazu bei, dass wichtige Teile auseinandergerissen und in alle Winde zerstreut werden. Um das Werk zumindest virtuell komplett zu erfassen und der Öffentlichkeit auch für wissenschaftliche Zwecke zugänglich zu machen, will sich der 2018 in Paris gegründete Ceija-Stojka-International-Fund kümmern.
«Ceija Stojka. Esto ha pasado», bis 23. März 2020, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Calle Santa Isabel 52, Madrid
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