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Wie ein Bär die Mauer durchbrach

Ein außergewöhnlicher Beitrag zur DDR-Segelgeschichte

  • Fritz Schröder
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war im September 1965. Ein Hochseekreuzer rauschte unter dem Namen »Berliner Bär« mit Vollzeug durch die Drei-Meilen-Zone am Gellenstrom in der Ostsee. Die sechsköpfige Mannschaft war nicht auf der Flucht. Ein Boot der Grenztruppen drehte bei. Seine Besatzung wünschte der Crew sogar: »Gute Fahrt ins Mittelmeer!«

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Rita Kindler (Hg.): Törns mit dem Berliner Bär. Die Geschichte einer legendären DDR-Hochseeyacht. Edition Bodoni, 144 S., geb., 24 €.

Wie die Segler dieses Ding gedeichselt hatten, erfährt man in dem hier angezeigten Buch. Eine fast unglaubliche Story: Im Zentralorgan der SED »Neues Deutschland« waren zuvor mehrere kleine Artikel und eine ganzseitige Reportage über den vorbildlichen Selbstbau einer Hochseeyacht durch eine Interessengemeinschaft im Segelclub Chemie Erkner erschienen. Damit wurde gewissermaßen die ganze DDR zum Mitwisser dieser Initiative. Es folgte durch den Reporter, der selbst begeisterter Segler war, ein sechsseitiges Agitationspapier an die für den Sport zuständige Abteilung beim Zentralkomitee der SED. Auch das Komitee für Touristik wurde eingespannt und für eine Expedition ins Mittelmeer begeistert. Das ursprüngliche Ziel - Kuba - wurde geändert; die Reise ins Mittelmeer diente besser dem damaligen Bemühen um die Anerkennung der DDR. Das Sekretariat des ZK der SED konnte nicht anders, als der Reise zuzustimmen.

Gleichzeitig liefen die Vorbereitungen für die weite Reise: von Seekarten bis Rettungsinsel und Verpflegung. Darüber wurde in der Presse berichtet. Als alles so weit in Sack und Tüten war, holten die DDR-Sicherheitsorgane zum großen Schlag aus: Dem als Kapitän und Navigator auserkorenen besten Hochseesegler der DDR wurden ohne Begründung Seefahrtsbuch und Pass verweigert. Und das zwei Tage vor der Ausreise! Die Mannschaft war aber pfiffig genug, einen Ausweg zu finden. Sie spannte den Rostocker ND-Korrespondenten ein, der kraft der Wassersuppe des Zentralorgans die Deutsche Seereederei dazu bewegte, einen ausgebildeten Navigator bereitzustellen. So konnte am 19. September 1965 der achtmonatige Mittelmeertörn starten.

Der Verfasser dieser Zeilen ist der einzige noch lebende Teilnehmer der Jungfernfahrt 1965/66 ins Mittelmeer. Er kann dieses Buch wärmstens empfehlen. Es enthält einen spannenden Bericht über Höhepunkte und Schwierigkeiten dieser Reise. Das damalige Abenteuer kann man hier hautnah miterleben.

Über weitere Törns in 25 Jahren DDR und nun schon 30 Jahren danach kann man im zweiten Teil des Buches aus Reisenotizen von Mitseglern nachlesen. Die Fahrten führten nach Riga, Tallinn, Helsinki, Bornholm, in schwedische Häfen, zu den Lofoten und rund um England. Über 200 000 Seemeilen wurden abgewettert, darunter 37 Jugendtörns. Berichtet wird auch über die Rettung Schiffbrüchiger, über die Mannschaft und wie der »Bär« in schwedischen Gewässern in Seenot geriet. Natürlich wurden nicht alle Geschichten aufgeschrieben, denn es gibt viele Segler, die nur mündlich ihr Seemannsgarn spinnen.

Die Zeit forderte ihren Tribut. Das Schiff wurde außergewöhnlich beansprucht. Der kleine Verein in Woltersdorf will es verkaufen, denn man hat nicht mehr die Kraft, die notwendige Generalreparatur zu schultern. Wünschenswert wäre, dass das Schiff in gute Hände käme und vielleicht gar noch einmal ein halbes Jahrhundert Segler erfreute.

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