Leider viel zu wenig Gewalt

Den Innenministern mangelt’s wegen zu braver Fans an Profilierungsmöglichkeiten, beobachtet Christoph Ruf belustigt

Dass die Bundesliga stinklangweilig ist, wurde an dieser Stelle schon häufiger beklagt. Und tatsächlich gewinnen und verlieren in der höchsten deutschen Spielklasse immer die gleichen. Wobei bei den ständigen Bayern-Niederlagen immerhin die Gegner variieren. Vergangene Woche verlor man gegen Leverkusen, diesmal in Mönchengladbach.

Wie gut, dass immerhin die Politik ein wenig Würze in den faden Alltag bringt. Gut eine Woche brauchten die Kommentatoren und Leitartikler so gut wie aller Zeitungen, um sich ihr Beleidigtsein über den Ausgang des SPD-Mitgliederentscheid von der Seele zu schreiben. Es ist ja auch eine Unverschämtheit, wenn die Genossinnen und Genossen sich einfach nicht an die einhellige Prognose halten wollen und Olaf Scholz wählen. Dabei war der in vielen Recherchen, bei denen sich Hauptstadtkorrespondenten mit Hauptstadtkorrespondenten unterhielten, als klarer Favorit ausgemacht worden.

Die Ignoranz der SPD-Basis, die sich von Ex-Kanzlern und FDP-Politikern einfach nicht erklären lassen wollte, was gut für sie ist, wird derweil nur von der Ignoranz der Fanszenen übertroffen. Schließlich wissen die Damen und Herren in den Kurven ganz genau, dass bei jeder Tagung der Landes-Innenminister immer härtere Strafen gegen die bösen Fans ersonnen werden, weil ja auch jedesmal eine »neue Dimension der Gewalt« zu beklagen ist.

Beim diesjährigen Treffen - dass sich unter den 16 nicht eine einzige Frau befindet, ist definitiv kein Zufall - gab es allerdings nicht viel, das zu skandalisieren gewesen wäre. Die Fans wollten sich in den letzten Monaten einfach nicht prügeln. Ein Glück, dass es da die gute alte Pyrotechnik-Debatte gibt, die mindestens so langweilig ist wie die Bayern-Niederlagen. Denn während die einen zurecht sagen, dass es durch Pyrotechnik weder Tote noch Verletzte zu beklagen gibt, betonen die anderen ebenso zurecht, dass das Ganze nun mal verboten sei. Den Vorschlag des HSV, einmal über ein streng kontrolliertes legales Abbrennen nachzudenken, haben die Verbände gerade als »völlig falsches Signal« zurückgewiesen, weshalb nach wie vor Wochenende für Wochenende tausende Ordner und Polizisten vor allem damit befasst sind, nach pyrotechnischen Gegenständen zu fahnden, die sie in der Regel sowieso nicht finden.

Umso schöner, dass sich die Innenminister um die wirklich wichtigen Probleme des Landes kümmern. Einen bedenkenswerten Vorschlag haben dabei Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl und sein NRW-Kollege Heribert Reul diskutieren lassen, die denjenigen Fans, die mit Bengalos erwischt werden, allen Ernstes den Führerschein abnehmen wollen. Zu gerne wäre man als Journalist dabei, wenn solche Vorschläge ersonnen werden. Allein, um zu erfahren, ob dann fünf Ministerialreferenten um den Boss herumsitzen und respektvoll nicken. Oder ob der ein oder andere zwischendurch mal fragt, ob der Chef vielleicht unter Schlafstörungen leidet und genug Vitamine zu sich nimmt.

Wobei es im Ländle vielleicht ja durchaus eine gute Idee wäre, mal mit größerer Härte gegen die unhaltbaren Zustände beim Fußball vorzugehen. Dort erhielt jüngst eine Angehörige der Freiburger Fanszene einen Strafbefehl wegen ungebührlichen Verhaltens beim Auswärtsspiel in Stuttgart. ›Fair enough‹, würde man wohl sagen, wenn die Frau nicht hätte nachweisen können, dass sie zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht in Stuttgart war. Und vor zwei Wochen wurden knapp 600 Karlsruher Fans dort fünf Stunden lang eingekesselt, ohne dass einer von ihnen irgendetwas Illegales getan hätte. Eine Frau nässte sich dabei ein, drei Mädchen, die in Begleitung des Fanbetreuers darum baten, auf Toilette gehen zu dürfen, bekamen von einem Polizisten zu hören, sie sollten »es sich wieder hochziehen«.

Kein Wunder, dass gut zwei Dutzend Klagen gegen die Stuttgarter Polizei aufgelaufen sind, einige weitere wurden offenbar nicht aufgenommen. Eine KSC-Anhängerin bekam auf dem Polizeirevier stattdessen den Rat, sich das noch mal genau zu überlegen: Eine Klage gegen die Polizei könne schließlich weitreichende Konsequenzen haben. Und zwar für die Klägerin.

Vielleicht ist Strobls Vorstoß also doch nicht so abwegig. Ich werde jedenfalls aufmerksam beobachten, ob demnächst auch ein paar Polizisten, die nachweislich gegen Gesetze verstoßen haben, mit dem Rad zur Arbeit fahren müssen. Der Luft in der Stuttgarter City täte es fraglos gut.

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