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- Dopingurteil gegen Russland
Darf denn noch gesungen werden?
Nach der Sperre gegen Russlands Sport durch die WADA bleiben noch viele Detailfragen offen
Es schien alles so klar, doch als sich am Montagabend der sprichwörtliche Staub gelegt hatte, blieben rund um die Vier-Jahres-Sperre der Welt-Antidoping-Agentur WADA gegen Russland noch viele Fragen offen. Ein Überblick - und erste Antworten:
Gilt das Urteil schon?
Nein. Russlands Antidoping-Agentur RUSADA hat 21 Tage Zeit, es vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS anzufechten. Das können auch andere betroffene Institutionen tun, etwa ein internationaler Verband, der klären will, ob er einen russischen Funktionär aus seiner Führungsriege werfen oder Russland eine WM wieder entziehen muss.
Akzeptiert Russland die Sperre?
Danach sieht es nicht aus. Staatspräsident Wladimir Putin, der sie - ohne einen Beweis dafür vorzulegen - als »politisch motiviert« bezeichnete, sagte am Montag in Paris: »Wir haben allen Grund, Klage beim CAS einzureichen.« In diesem Fall drohen Monate der Verzögerung. Die Entscheidung soll laut RUSADA-Chef Juri Ganus am 19. Dezember fallen.
Wie stünden Russlands Chancen?
Dies ist wie vor jeder juristischen Auseinandersetzung schwierig einzuschätzen. Jonathan Taylor, Chef der WADA-Prüfkommission CRC, die den Strafenkatalog vorgeschlagen hatte, betonte am Montag, dass er nicht mit einer Niederlage rechne. Die WADA habe sich strikt an den im April 2018 für solche Fälle beschlossenen Standard gehalten, und den hat auch die RUSADA unterzeichnet. Daher sieht selbst Juri Ganus »keine Möglichkeit, diesen Fall zu gewinnen«. Allerdings ist zu bedenken, dass die WADA sowohl die RUSADA als auch das Russische Olympische Komitee bestraft, obwohl sie beiden Institutionen keine Verfehlungen direkt nachweisen konnte. Deswegen pocht Präsident Putin auch weiter darauf, das Land bei Olympia unter seiner eigenen Flagge teilnehmen zu lassen.
Wie sollen russische Athleten für eine Startgenehmigung beweisen, dass sie nicht gedopt haben?
Da das unmöglich ist, müssen sie es auch nicht tun. Jeder internationale Sportverband soll, wie es die Leichtathletik bereits getan hat, einen Mechanismus entwickeln. Dafür dürften zuvor vom CAS oder der WADA noch Richtlinien vorgegeben werden. Folgende Kriterien dürften darin auftauchen: Der Name des Sportlers darf nicht in den Mc-Laren-Berichten über staatlich gelenktes Doping in Russland auftauchen oder aus den Daten des Moskauer Kontrolllabors gelöscht worden sein. Eine ausreichende Anzahl von Dopingtests durch unabhängige Kontrolleure muss nachweisbar sein. Auch die Zusammenarbeit mit dopingverdächtigen Trainern könnte ein Ausschlusskriterium sein.
Wie werden die Teams der »neutralen« Athleten genau benannt?
Auch das sollen die Sportverbände einzeln festlegen. Doch die WADA will sie kontrollieren. Das umstrittene Beispiel der bei den Winterspielen 2018 firmierenden »Olympischen Athleten aus Russland« dürfte nicht mehr durchkommen, denn CRC-Chef Jonathan Taylor stellte klar, dass die Sportler nicht als Vertreter Russlands erkennbar sein dürfen?
Was ist mit Russlands Hymne?
Dazu steht nichts im Urteil. Allerdings dürfte ein Verbot der Hymne bald in den Richtlinien auftauchen. Ob und wie Athleten bestraft werden, wenn sie diese dennoch singen, wie bei der Siegerehrung im olympischen Eishockeywettbewerb 2018 in Pyeongchang geschehen, ist eine spannende Frage, deren Antwort noch völlig unklar ist. Ebenso wie mit Fans umgegangen wird, die russische Fahnen auf die Zuschauertribünen mitbringen wollen.
Welche Sportereignisse werden Russland entzogen?
Als erste muss die Rodel-WM in Sotschi Mitte Februar überprüft werden. Solche Wettbewerbe müssen aber nur an anderer Stelle stattfinden, »wenn das juristisch und praktisch« noch möglich ist. Das scheint hier unwahrscheinlich. Viele Verträge sind schon unterschrieben, Reisen gebucht. Ganz anders sieht es bei der Eishockey-WM 2023, sowie bei der Kurzbahn-WM der Schwimmer, der Ringer-WM und der Welttitelkämpfe im Volleyball (jeweils 2022) aus, die alle ebenfalls bereits nach Russland vergeben worden sind. Am Ende entscheiden wieder die einzelnen Sportverbände, und erneut muss die WADA zustimmen. Die Sperre könnte sogar noch die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris betreffen, sollte das Urteil vom CAS erst nach den Spielen 2020 in Tokio bestätigt werden.
Wie sieht es mit Funktionären aus?
In etwa einem Drittel der internationalen Verbandsspitzen sitzen Vertreter Russlands. Sechs haben sogar einen russischen Präsidenten oder Vizepräsidenten. Sie dürfen nun nicht mehr an Sitzungen teilnehmen, neue Vertreter auch nicht in diese Gremien gewählt werden. Das trifft Russland hart, hatten sich das Land auf diese Weise doch große Machtpositionen aufgebaut. Allerdings könnte das auch für manche Verbände zum Problem werden. Angeblich sollen die Milliardäre Wladimir Lisin (Schützen) und Alischer Usmanow (Fechten) diese Verbände quasi allein finanzieren. Andernorts treten russische Firmen als Großsponsoren auf. Ob sie ihre Unterstützungen vier Jahre lang aufrecht erhalten werden, ist ungewiss.
Warum darf Russland keine Teams unter der eigenen Flagge bei Weltmeisterschaften starten lassen, bei Weltcups oder einer EM aber schon?
Das Zauberwort heißt Weltmeister. Wenn der am Ende gekürt wird, darf kein Sportler als Vertreter Russlands erkennbar sein. Bei einer EM ist das nicht so, bei einem Biathlonweltcup auch nicht. Und eine WM-Qualifikation entscheidet nur darüber, wer zu einer WM fahren darf, nicht wer sie gewinnt. So kann sich Russland für die Fußball-WM 2022 in Katar qualifizieren, dort aber nicht als Russland auftreten. Bei der EM 2020 darf das russische Team seine Gruppenspiele sogar in St. Petersburg bestreiten. Das Champions-League-Finale 2021 am selben Ort ist auch nicht vom Bann betroffen. Es wird ja kein Weltmeister gekürt. Auch wenn es weltweit kaum größere Medienereignisse im Sport gibt als dieses Endspiel, ist es für die WADA kein »Major Event«.
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