Werbung

Kann Grünkohl erfrieren?

Dr. Steffen Schmidt ist Wissenschaftsredakteur des »nd« und der Universalgelehrte der Redaktion. Ines Wallrodt fragte ihn nach Wintergemüse.

Warum schmeckt Grünkohl mit etwas Frost besser?

Grünkohl ist dann etwas weniger bitter und etwas mehr süß. Ähnlich wie Rosenkohl.

Oder Kartoffeln. Da ist es aber schlecht.

Genau. Das ist aber offenbar nie ordentlich untersucht worden. Wissenschaftler in Bremen haben das jetzt mal beim Grünkohl getan und geklärt, was genau passiert und welche Zucker da entstehen. Viele Pflanzen sind offenbar in der Lage, die Zellulose, aus der die Zellwände zum großen Teil bestehen, in ihre Bausteine zu zerlegen. Zellulose ist genauso wie Stärke ein Polymer aus Zuckern. Der Grünkohl wandelt also Zellbestandteile um in Zucker und produziert zugleich weniger Bitterstoffe.

Warum macht das die Pflanze? Sie will doch bestimmt nicht süßer schmecken.

Nein, die will eigentlich nicht unbedingt gefressen werden. Insofern ist bitter für sie besser. Andererseits sind die üblichen Fressfeinde von Blatt- und sonstigen Pflanzen bei Frost in der Regel eh außer Gefecht gesetzt. Also ich meine Schnecken oder Insekten aller Art, die haben bei Frost nichts zu lachen. Der einzige Fressfeind, den Pflanzen haben, der bei jedem Wetter zuschlägt, sind wir, der Mensch.

Okay, worum geht es also?

Frostschutz. Der Zucker wirkt gewissermaßen wie das Streusalz bei vereisten Wegen als Frostschutzmittel.

Grünkohl kann also nicht erfrieren?

Doch. Bei 12 Grad minus ist auch beim Grünkohl Schluss. Dann ist er nur noch Braunkohl.

Den gibt es doch wirklich.

Ja, ist eine Grünkohlvariante, die eher rötlich-bräunlich wächst. Wird kaum mehr angebaut.

Nun gibt es ja bei uns immer weniger Frost. Wird Grünkohl also Opfer des Klimawandels?

Wenn man die Sorte nicht wechselt, könnte das sein. Aber es gibt längst Sorten, die von vorn herein mehr Zucker produzieren und deswegen schon vor dem Frost geerntet werden können.

Ich dachte, die Bauern machen irgendwie künstlich Frost überm Feld.

Nee, die haben sich hier längst unabhängig gemacht von der Kälte. Und Rosenkohl ist ohnehin ein Gemüse, das zu nennenswerten Teilen in Gegenden angebaut wird, die nicht so frostig sind. Im Englischen hört das Zeug ja auf den schönen Namen »Brussels Sprouts«, also Brüsseler Sprossen, was mit der Historie insofern zusammenpasst, als dass der Rosenkohl im 13. oder 14. Jahrhundert erstmals auf dem Gebiet des heutigen Belgien angebaut worden ist.

Magst du Grünkohl?

Nee, wahrscheinlich war das Problem, dass ich Grünkohl das erste Mal in einer Schulküche begegnet bin. Und du weißt, Geschmacksurteile sind besonders hartnäckig.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.