Ein richtiger Austausch muss stattfinden
Mariam Sow: Die agrarökologische Transformation ist ein Gesellschaftsprojekt
Wie sind Sie zu Enda Pronat gekommen?
Mariam Sow: Ich bin in einem Dorf im Norden Senegals geboren, und meine Kindheit und Jugend waren daher stark durch das ländliche Leben geprägt. Schon während meiner Schulzeit fing ich an, mich in den Gemeinschaften zu engagieren. Ich arbeitete als lokale Animateurin vor allem mit Frauengruppen. Damals lernte ich Alma kennen, eine Deutsche, die schon lange in Senegal lebt. Sie ermöglichte mir eine zweimonatige Ausbildung in Frankreich zum Thema Agrarökologie. Bei meiner Rückkehr nach Senegal bot ich denselben Kurs für alle Interessierten an und kam dadurch mit Jacques Bugnicourt und Cheikh Amar, den Gründungsvätern des NRO-Netzwerks Enda Tiers Monde, in Kontakt.
Schon damals leistete Enda Sensibilisierungsarbeit in den Dörfern, um auf die negativen Folgen der Grünen Revolution hinzuweisen. Die Böden waren durch den übermäßigen Einsatz von Pestiziden ausgelaugt, und auch die Folgen für die Gesundheit der Menschen wurden in dieser Zeit sehr deutlich. Der Austausch und die vielen Diskussionen mit diesen Persönlichkeiten haben mich sehr inspiriert und meine Vision bis heute maßgeblich geprägt. Seitdem bin ich bei Enda geblieben und leite seit den 90er Jahren Enda Pronat, die Organisation innerhalb von Enda, die im Bereich nachhaltige Landwirtschaft arbeitet.
Was würden Sie als den größten Erfolg Ihres Engagements bezeichnen?
Ich habe schon immer gesagt, dass es auch die »bäuerliche Wissenschaft« gibt, das traditionelle Wissen, welches seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben wird. Doch dieses Wissen wurde lange kaum akzeptiert. Diese Situation ändert sich aber langsam. Als Wissenschaftler begannen, das bäuerliche Wissen allmählich als relevant anzuerkennen, war das für mich ein großer Erfolg. Meiner Meinung nach können große strukturelle Veränderungen wie die agrarökologische Transformation nur mit allen Akteuren gemeinsam bewältigt werden. Es ist ein Gesellschaftsprojekt.
Was ist dafür zentral?
Wissenschaft und Politik müssen sich an die Bauern und Bäuerinnen wenden, es muss ein richtiger Austausch stattfinden. Die Erfahrungen aus traditionellem Wissen und aus moderner Forschung müssen für alle Akteure zugänglich gemacht und geteilt werden. Enda war der Vorreiter dieser Idee und veröffentlichte bereits 1982 eine Studie zu den negativen Auswirkungen von Pestiziden. Schon damals riefen wir alle Akteure zur Zusammenarbeit auf. Heute haben wir in der ganzen Sahel-Zone die gleichen Probleme: Wüstenbildung, Degradation der Böden, Klimawandel. Diese Herausforderungen können wir nur gemeinsam lösen.
Welche wichtigen Schritte sehen Sie für Enda Pronat in der Zukunft?
Für mich gibt es zwei wichtige Ebenen: Die agrarökologischen Initiativen, die wir bereits in einzelnen Dörfern unterstützen, müssen weiter ausgebaut werden, um als Modelle zu funktionieren, die auch auf andere Regionen angewendet werden können. Das ist extrem wichtig für die Sichtbarkeit der agrarökologischen Transformation und um die lokale Bevölkerung und die Politik davon zu überzeugen, dass es Alternativen zum industriellen Agrarmodell gibt. Und dass diese funktionsfähig sind.
Zum Zweiten müssen die Ergebnisse der Projektarbeit auf lokaler Ebene auf die nationale Ebene gebracht werden und in den Dialog mit der Politik einfließen. Nur so kann Druck ausgeübt werden, der langfristig auf eine Änderung der Politiken abzielt, die sich günstig auf eine agrarökologische Wende auswirken. Diese politische Arbeit haben wir im Mai 2019 mit der Gründung der Allianz zur agrarökologischen Transformation in Senegal verstärkt.
Für die »Agrarökologischen Tage« im Januar 2020 wollen wir dem Präsidenten Macky Sall einen Aktionsplan vorlegen, wie der Umbau der landwirtschaftlichen Systeme aussehen kann. Ziel ist es, dass der Staat die Allianz langfristig als ebenbürtigen Kooperationspartner und Verbündeten ansieht.
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