- Kultur
- »Das Traumschiff«
Es herrscht heiterer Führerkult
Silbereisen ist jetzt Kapitän auf dem »Traumschiff«, dem deutschesten aller Vergnügungsdampfer
Das »Traumschiff« hat fürwahr schon viel erlebt, seit es vor 38 Jahren erstmals in See gestochen ist. Vier Luxusliner wurden bislang für 84 Kreuzfahrten verbraucht, drei Erkennungsmelodien, knapp 600 Schauspieler, jede(r) zehnte davon mit drei oder mehr Auftritten, an die 1000 Eistorten mit Funkenflug und Hektoliter Schmalz verschiedener Konsistenz. Es gab Weltstars und Witzfiguren, Maria Schell oder Thomas Gottschalk, jede Menge Trennungen und Liebesglück, Krankheiten und Heilungswunder, Familienzwist, Familiensegen, alles dabei - aber eines gab’s bislang noch nie: einen Schiffsführer mit Tätowierungen.
Dafür muss erst die größte Heimsuchung der fiktionalen Fernsehgeschichte anheuern: Florian Silbereisen. Nachdem Helene Fischer Anfang 2013 gen Puerto Rico eingecheckt hatte, übernimmt ihr Ex nun das Kommando auf der »MS Amadea«. Das ist zwar einerseits ein Schlag ins Gesicht aller Schauspielprofis, denen im harten Serienboom der Streamingbranche langsam die seichten Seifencharaktere ausgehen; andererseits ist es aber auch nur folgerichtig: Schließlich soll die nach dem »Tatort« älteste Spielfilmreihe schon lange kein TV-Format mehr sein, sondern allenfalls PR in eigener Sache.
Wenn er mit Oberarmtattoos unterm Kurzarmhemd zum Undercut überm Zweitagebart die Brücke betritt und der verdutzten Crew kernig zuraunt: »Hallo zusammen, mein Name ist Maximilian Parger«, wenn uns das ZDF also weismachen will, ein Kapitän lerne Besatzung und Schiff erst kennen, während die ersten Passagiere einchecken, dann ist das sogar noch ein bisschen surrealer, als es der Aufstieg von Victor Burger (Sascha Hehn) vom Chefsteward zum Kapitän auf diesem Schiff gewesen ist. Beim »Traumschiff« geht es ja um alles Mögliche, aber nicht um die Stringenz einer schlüssigen Handlung.
Das ist das Grundprinzip an Bord des deutschesten aller Vergnügungsdampfer. Als ihn dessen Erfinder Wolfgang Rademann 1981 nahezu musik-, spaß- und effektfrei ins ZDF schickte, um das Fernsehverhalten des autoren- bis klamaukfilmgeprägten Publikums förmlich zu pulverisieren, hielt eine Art selbstreferenzieller Belanglosigkeit Einzug ins Abendprogramm, die es bis dahin eher am Nachmittag gegeben hatte. Spätestens, als die Bauersfrauensucherin Inka Bause 2009 gleichzeitig mit dem Kreuzfahrtdirektor Harald Schmidt als Fitnesstrainerin anheuerte, besiegelte das »Traumschiff« endgültig sein Schicksal als Crossmarketingmethode ohne jeden fiktionalen Anspruch.
Da ist es nur konsequent vom Zweiten Programm, sich das Stammpublikum von Florian Silbereisens Schlagershows und Volksmusiksausen im Ersten zunutze zu machen. Schließlich ist der konservativ-poppige Akkordeon-Virtuose aus Passau nicht nur ganze drei Monate jünger als sein neuer Arbeitsplatz, sondern auch noch absolut schmerzfrei, was die Unterbietung kulturindustrieller Standards betrifft. Bis in die unkontrollierte Mimik hinein entbehrt sein Schauspiel jeder fachlichen Kompetenz. Sobald der Moderator in ihm den Mund aufmacht, klingt es so, als würde er bei einem Heiratsantrag gleichzeitig Klingeltöne verkaufen wollen. Aber vielleicht ist genau das der Tonfall eines Vorgesetzten im hierarchischen System »Traumschiff«. Definitiv passt Silbereisens heillos überdrehter Duktus zu einem Format, das seine Dramaturgie nicht halb so ernst nimmt wie die Quotenmessung.
Deshalb darf sein Max Parger kurz mal sein Riesenschiff verlassen, um ein führerloses Boot vorm Untergang zu retten, oder ohne dramaturgische Not Fingerklimmzüge am Türrahmen machen. Und wenn er sich bis zum Käpt’n-Dinner nicht nur mit dem konkurrierenden Offizier Grimm (Daniel Morgenroth) aussöhnt, sondern nebenbei auch ein schwules Paar mit dessen heterosexueller Vergangenheit und außerdem noch die Ulknudel Uschi Glas mit ihrem Nörgelgatten Michael Gwisdek, dann spürt man: Auf dem Traumschiff herrscht nicht nur öliger Eskapismus, sondern heiterer Führerkult. Dafür ist ein freundlicher Macho wie der Flori die Idealbesetzung.
»Das Traumschiff«, Do., 20.15 Uhr, ZDF
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