Zwei Läden in zwei Welten

Frauentagstour führt zu Erwin Strittmatters Laden und zur »Schokoladenseite« der Lausitz

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 5 Min.

Gute Traditionen soll man pflegen - und die alljährliche nd-Frauentagsfahrt am 8. März ist seit Jahren so eine Tradition. Im kommenden Jahr wird diese Tagesfahrt zu zwei ganz besonderen Attraktionen in der Lausitz führen, die wohl kaum unterschiedlicher sein könnten, andererseits jedoch eine Gemeinsamkeit haben: nämlich jeweils einen einzigartigen Laden!

Zunächst werden wir einem guten alten Bekannten einen Besuch abstatten und in die Welt von Erwin Strittmatter eintauchen. Ich lade Sie herzlich ein, mit mir nach Bohsdorf in die Lausitz zu reisen, zu Strittmatters berühmtem Laden. Dieses kleine unscheinbare Haus in der Dorfstraße 37 ist der authentische Schauplatz der zwischen 1983 und 1992 erschienenen Romantrilogie »Der Laden« von Erwin Strittmatter. Erbaut wurde das Haus um 1895 von Verwandten des Schriftstellers. Seine Eltern erwarben es im Juni 1919. Bis zum 31. Dezember 1949 war der von den Strittmatters geführte Dorfladen mit Bäckerei der Dreh- und Angelpunkt des Dorfes.

Reise-Infos
Tagesfahrt in die Lausitz nach Bohsdorf und Hornow

Termin: 8. März 2020
Preis: 76 Euro

  • Fahrt im Komfortreisebus mit BVB-Sektfrühstück
  • Besuch von Strittmatters »Laden« in Bohsdorf mit Erläuterungen durch den Erwin-Strittmatter-Verein e. V.
  • Mittagessen in Döbern
  • Besuch der Confiserie »Felicitas« in Hornow mit Begrüßung durch die Chefin des Hauses, Goedele Matthyssen, Filmvorführung zur Geschichte des Unternehmens, ein Glas Trinkschokolade sowie Verkostung von drei Sorten Schokolade
  • Kaffee und Kuchen im Café der Confiserie »Felicitas«
  • Möglichkeit zum Einkauf von Schokoladenerzeugnissen und Pralinen
  • Reisebegleitung: nd-Redakteurin Heidi Diehl

Beratung und Buchung: Frank Diekert, nd-Leserreisen Tel.: (030) 2978-1620 Fax: (030) 2978-1650 E-Mail: leserreisen@nd-online.de

Auf nd-Leserreisen bestellen>>

In seiner Romatrilogie, die stark autobiografische Züge trägt, schildert Erwin Strittmatter das Dorfleben in der Lausitz. Die Handlung reicht von der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bis zur frühen DDR. Im Mittelpunkt des Romans stehen Esau Matt und seine Familie, die eine Bäckerei mit Kolonialwarenladen in Bossdom - eigentlich Bohsdorf - besitzt und sich mit diesem über Wasser hält und durch die Zeiten schlägt.

Einem rührigen Verein ist es zu verdanken, dass seit 1999 der originale Laden zu besichtigen ist. Tritt man ein, fühlt man sich zunächst in die Welt der 20er Jahre versetzt. Liebevoll wurden die Originalregale und die Verkaufstheke mit Waren aus dieser Zeit bestückt. Auch die alte Waage mit den Entenköpfchen steht an ihrem Platz, und durch das Guckloch an der Tür kann man einen Blick in das Reich des Bäckers werfen. Auf dem Ladentisch liegt noch das originale Wareneingangsbuch, das Erwin Strittmatter ab Oktober 1945 führte.

Im angrenzenden Raum, der einst zur Backstube gehörte, ist eine kleine Ausstellung der Familie, dem historischen Umfeld der Romantrilogie sowie dem Schaffen Erwin Strittmatters gewidmet. Extra für uns öffnet der Erwin-Strittmatter-Verein an diesem Tag die Ladentür, die normalerweise von November bis Ende März für Besucher verschlossen bleibt.

Ganzjährig offen hingegen stehen die Türen der Confiserie »Felicitas« in Hornow, nur wenige Kilometer von Bohsdorf entfernt. Seit das junge belgische Paar Goedele Matthyssen und Peter Bienstman 1992 eher zufällig hier gelandet war, hat sich das 600-Seelen-Dorf zur »Schokoladenseite« der Lausitz entwickelt. Mit nicht viel mehr als ein paar Koffern waren die beiden, die zuvor - sie Krankenschwester, er Ingenieur - als Entwicklungshelfer in Nigeria gearbeitet hatten, hierher gekommen. Und mit der Idee im Kopf, ausgerechnet im »Nirgendwo« Schokolade vom Feinsten zu produzieren. So haben sie angefangen. Die winzige Küche in einer riesigen ehemaligen LPG-Scheune war gewissermaßen ihr ein und alles - Produktions- und Verkaufsraum, Büro und Lager. Aber die Geschäfte liefen schlecht, nach drei Jahren standen sie kurz vor der Pleite.

»Eigentlich hätten wir den ganzen Laden zumachen müssen«, erzählt Goedele Matthyssen, »doch irgendwann kamen immer mehr Leute nach Hornow, um unsere Produkte zu kaufen.« Bis heute ist sie jenen treuen Kunden zutiefst dankbar, die anfangs durch Mund-zu-Mund-Propaganda den Ruf von der Qualität der süßen Produkte der Confiserie »Felicitas« weitertrugen. »Wer weiß, was sonst aus uns geworden wäre.«

Bald schon wurde die kleine Küche zu eng, um die Nachfrage zu befriedigen. Doch Geld, um die riesige Scheune zu kaufen und auszubauen, hatten sie nicht. Dafür die »Pistole« der Treuhand auf der Brust. 1996 offerierte diese den Jungunternehmern: Entweder sofort kaufen, oder das Gebäude wird öffentlich ausgeschrieben. Doch diesmal gelang es der Treuhand nicht, ein weiteres Unternehmen kaputtzumachen. Eltern, Freunde und Verwandte halfen und »kratzten« die geforderten 90 000 D-Mark zusammen. Nur wollte leider keine Bank einen Kredit für den Ausbau geben - immer gern für neue Autohäuser, aber doch nicht für eine Schokoladenmanufaktur! Zum Glück besuchte wieder Kunde Zufall den Laden. Wer das war, soll hier nicht verraten werden. Vielleicht erzählt es die rührige Chefin bei unserem Besuch in ihrem Schokoladenland ja selbst. Wenn nicht, fragen Sie einfach danach!

Heute ist die Confiserie »Felicitas« ein fest im Sattel sitzendes Unternehmen: Goedele Matthyssen wurde 2005 als brandenburgische Unternehmerin des Jahres geehrt; 2014 erhielt »Felicitas« den alljährlich vergebenen Marketingpreis der Vermarktungsgesellschaft für landwirtschaftliche Produkte des Landes Brandenburg, »pro agro«.

Längst ist das Schokoladenparadies in der Lausitz zu einer festen Adresse für viele Schlemmermäuler geworden. Sie nehmen weite Wege auf sich. Nicht nur aus Deutschland, auch aus Polen und Holland reisen sie extra wegen der vielfach preisgekrönten Produkte an und sogar aus dem Schokoreich Belgien.

Begonnen hat alles mit kleinen Chargen von Pralinen und Schokoladen, inzwischen hat sich »Felicitas« zu einer Erlebniswelt »gemausert«. Hier können Interessierte selber Schokoladenprodukte herstellen, eine gläserne Manufaktur bietet Einblicke in die Produktion, und es gibt ein Kino, in dem man alles vom Anbau des Kakaos bis zur Herstellung von Schokolade erfahren kann.

Übrigens: Dass Schokolade glücklich macht, ist absolut kein Gerücht. Wer Goedele Matthyssen einmal begegnet ist, weiß, dass es hundertprozentig stimmt. Was wohl auch daran liegt, dass sie und ihr Mann Peter sich trotz viel Gegenwinds ihren Traum vom eigenen Schokoreich verwirklichen konnten. Längst fühlen sie sich in der Lausitz heimisch, haben hier drei Kinder großgezogen und das Glücksgen natürlich auch auf diese übertragen. Tochter Marie hat sogar mit einem eigenen Café in Dresden - nur wenige Schritte von der Frauenkirche entfernt - eine Außenstelle von »Felicitas« eröffnet und kann sich wie ihr jüngerer Bruder sogar vorstellen, irgendwann die Confiserie zu übernehmen.

Bis dahin aber ist noch viel Zeit, denn Schokolade hält auch jung! Überzeugen Sie sich davon am 8. März, wenn wir gemeinsam durch die schönsten und interessantesten »Läden« der Lausitz bummeln. Ich freue mich, Sie begleiten zu dürfen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -