Grüne: Wohngeldreform geht nicht weit genug

2020 steigt das Wohngeld auf 190 Euro, die Zahl der Empfänger wurde auf 660.000 erhöht

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Vom Jahreswechsel an sollen hunderttausende Haushalte in Deutschland mehr Wohngeld bekommen: Die monatlichen Zahlungen steigen von 145 Euro auf 190 Euro, zudem soll die Zahl der Empfänger auf 660.000 steigen. Ohne die Wohngeld-Reform würden es nach Angaben der Bundesregierung nur 480.000 Menschen sein. Dennoch gibt es Kritik: Die Reform gehe angesichts des angespannten Wohnungsmarkts nicht weit genug, wenden die Grünen ein.

»Es gibt gute Teile in diesem Gesetz, aber angesichts der dramatischen Lage auf dem Wohnungsmarkt hätte die große Koalition mehr machen müssen«, sagte der wohnungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Chris Kühn, der Nachrichtenagentur AFP. Kritik übte er an der »immer noch falschen« Berechnungsgrundlage und am Fehlen einer Klimakomponente.

Die Reform soll nach dem Willen der großen Koalition dazu führen, dass mehr Haushalte als bisher Wohngeld beziehen können. Für Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt wird neu eine Mietstufe VII eingeführt, um dort auch höhere Mieten als zuschussfähig berücksichtigen zu können. Zudem sollen die Leistungen künftig alle zwei Jahre dynamisiert, also an die Entwicklung des Miet- und des Lohnniveaus angepasst werden.

»Es ist gut, dass die dynamische Wohngeld-Anpassung in dem Gesetz drin ist«, sagte Kühn. Auch die neue Mietstufe sei gut. Er kritisierte aber, dass bei der Berechnung der Ansprüche immer noch vom Durchschnitt der Wohngeld-Haushalte ausgegangen werde, »nicht vom Durchschnitt der realen Mieten«.

Der Grünen-Politiker relativierte auch den Anstieg bei der Zahl der Berechtigten. »Wir hatten 2010 über eine Million«, gab er zu bedenken.

Als »eines der Hauptprobleme« nannte Kühn das Fehlen einer »Klimakomponente« in dem neuen Gesetz. »Ein Wohngeldempfänger in einem Haus mit gutem energetischen Zustand sollte einen Bonus beim Wohngeld erhalten, weil er ja in der Regel auch eine höhere Miete zahlen muss«, sagte der Grünen-Politiker.

Weiter forderte Kühn einen Erwerbstätigenfreibetrag. Dieser würde gemäß einem Konzept des katholischen Sozialverbands Caritas dazu führen, dass mehr Haushalte mit Erwerbseinkommen, die bisher als so genannte Aufstocker Geld aus dem Grundsicherungssystem erhalten, stattdessen Wohngeld als vorrangige Hilfe in Anspruch nehmen könnten.

Lesen Sie auch: Eine Wohnungskündigung durch eine Kirchengemeinde im Nordosten und die drohende Zwangsräumung einer Familie

Laut Kühn hätte die Regierung durch einen solchen Schritt »230.000 Menschen aus Hartz IV herausbekommen können«. Dies hätte zwar Bund und Länder mehr Geld gekostet, aber »das wäre eine echte Reform gewesen«. Hier sei auch »eine Chance vertan« worden, um Kommunen bei der Grundsicherung zu entlasten.

»Insgesamt ist es zu wenig angesichts der sozialen Verwerfungen auf dem Wohnungsmarkt«, sieht der Grünen-Politiker die Reform kritisch. »Das Wohngeld betrifft nur drei Prozent der Haushalte. Für diese Menschen ist die Novelle ein wichtiger Schritt. Es wurde aber versäumt, da deutlich mehr Menschen mit rein zu holen«, begründete Kühn seine Einschätzung. AFP/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -