2020 steht im Zeichen der Wohnungspolitik

Rot-Rot-Grün muss in diesem Jahr die mietenpolitische Wende einläuten – ein Ausblick

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Der 15. Januar könnte ein weiterer wichtiger Tag auf dem Weg zum Berliner Mietendeckel werden. Denn in zwei Wochen steht auf der Tagesordnung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen des Abgeordnetenhauses erneut der Punkt »Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung«. Nach der Auswertung der Expertenanhörung vom Dezember vergangenen Jahres soll der Ausschuss die Vorlage in knapp zwei Wochen bereits beschließen. Auch der Rechtsausschuss des Parlaments könnte sich an diesem Tag mit dem Mietendeckel befassen, mit dem Rot-Rot-Grün die Mieten in der Hauptstadt regulieren will.

Sollte der Zeitplan tatsächlich funktionieren, würde Rot-Rot-Grün tatsächlich fulminant in das neue politische Jahr 2020 durchstarten. »Und mit dem Mietendeckel gehen wir einen vollkommen neuen Weg, damit Sie eine fünfjährige Atempause von Mieterhöhungen erhalten«, erklärte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) in seiner Neujahrsansprache. Der Regierende Bürgermeister des Mitte-links-Bündnisses kündigte darüber hinaus an, dass die »größten Anstrengungen« des Senats »ihren vier Wänden« gelten werden. Damit erklärte der Senatschef das Jahr 2020 zum wohnungspolitischen Jahr, mit dem der rot-rot-grüne Senat endlich die dringend nötige Wende auf dem Wohnungsmarkt angehen will. Zu einem sicheren Leben gehöre ein bezahlbares Zuhause, so Müller. Und: »Wohnungen sind keine Ware.« Mit dem Dreiklang Bauen - Kaufen - Deckel will der rot-rot-grüne Senat weiteren Wohnraum sichern und neuen schaffen - vor allem um den sozialen Zusammenhalt in der Stadt zu verbessern. An die Berlinerinnen und Berliner appellierte Müller: »Unterstützen Sie uns auch beim unverzichtbaren Neubau. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir Wohnungen bauen, nicht ob.«

Enteignungs-Volksbegehren

Für die mietenpolitischen Initiativen hält das Jahr 2020 auch viele wichtige Entscheidungen bereit: Nicht zuletzt steht aus, wie es mit dem laufenden Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co enteignen« weitergeht. Derweil wird das Volksbegehren rechtlich bei der zuständigen Senatsinnenverwaltung geprüft.

Mehr als 77 000 Unterschriften hatte die Initiative im vergangenen Sommer übergeben. Michael Prütz, Vertrauensperson des Volksbegehrens, twitterte zum Jahresauftakt: »Den Menschen in den Mieterinis und meinen Mitstreitern in der Initiative ›Deutsche Wohnen & Co enteignen‹ sage ich für 2020: Möge die Macht mit uns sein!« mkr

Ob der geplante Mietendeckel am Ende Bestand hat, werden zeitnah Verfassungsgerichte zu klären haben. Entsprechende Klagen hat die Opposition im Abgeordnetenhaus, aber auch beispielsweise die CDU-Fraktion im Bundestag bereits angekündigt. Unklar ist auch unter Juristen, welches Gericht die landesrechtliche Regulierung der Mieten bewerten wird, das Landesverfassungsgericht oder das Bundesverfassungsgericht. Der Senat geht jedoch davon aus, dass die juristische Klärung zeitnah in diesem Jahr erfolgen wird. Sogar noch bevor neun Monate nach Inkrafttreten des Mietendeckels die geplanten Absenkungsmöglichkeiten von zu hohen Mieten greifen sollen.

Lesen Sie hier den Kommentar zum Thema: Rot-rot-grünes Richtungsjahr. Die Koalition wird sich am Ende der Legislatur daran messen lassen müssen, ob sich die Wohnungspolitik in Berlin entspannt.

Berlins Vizesenatschefin Ramona Pop rief unterdessen die Berliner Wirtschaft dazu auf, die Debatte über die Mietenregulierung zu versachlichen. »Man sollte Berlin als Stadt und als Standort nicht schlechtreden«, sagte die Wirtschaftssenatorin von den Grünen. »Wir müssen die Berlinerinnen und Berliner vor zu hohen Mieten schützen. Alle Metropolen weltweit haben das Thema Mietenkrise ganz oben auf der Agenda und reagieren darauf mit regulativen Maßnahmen«, so Pop. Die Höhe der Mieten sei aus ihrer Sicht für eine Großstadt auch eine Standortfrage. In einer sozialen Marktwirtschaft müsse Politik eingreifen, wenn es der Markt nicht mehr richtet.

Klar ist aber auch: Der Mietendeckel ist nur ein Instrument unter vielen, um die Wohnungskrise in den Griff zu bekommen. In diesem Jahr müssen auch viele neue bezahlbare Wohnungen übergeben werden, damit der Senat seine eigenen selbstgesteckten Ziele erreichen kann. Zwar bauten die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften im abgelaufenen Jahr mehr als 4500 Wohnungen, aber 2020 könnten nur 4000 Wohnungen dazu kommen. Das Ziel, 30 000 kommunale Wohnungen in dieser Legislatur zu bauen, würde so wahrscheinlich verfehlt werden.

Über Plan liegt der Senat dagegen beim Ankauf von Wohnraum und deren Überführung in kommunales Eigentum. Allein 2019 wurden mit über 12 000 Wohnungen so viele gekauft, wie für die gesamte Regierungszeit von 2016 bis 2021 avisiert worden waren. Dass Rot-Rot-Grün bei den Ankäufen von vor allem ehemaligen Sozialwohnungen aktiv bleiben will, hatte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) jüngst im Interview mit »nd« angekündigt. »Wir werden weitere selektive Ankäufe sehen«, sagte er.

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