- Politik
- Streit um Schusswaffen
Bewaffnete Politiker
Kölner CDU-Kommunalpolitiker schießt im Streit auf einen jungen Mann / Debatte über Bewaffnung von Amtsträgern entbrannt
Die beiden Fälle haben auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun, doch der Erste zeigt, welche Folgen der Zweite haben kann. In der Nacht vom 29. auf den 30. Dezember war ein Kölner Kommunalpolitiker in Streit mit drei jungen Männern geraten. Es ging um Lärm. Der CDU-Mann zückte daraufhin eine Waffe und schoss. Das Ergebnis: ein schwer Verletzter. Anders ist der Fall von einem Bürgermeister, der sich nach Drohungen aus der Neonazi-Szene bewaffnen will. Im Herbst hatte er einen Waffenschein beantragt, diesen jedoch nicht erhalten. Am 21. Januar muss das Verwaltungsgericht Düsseldorf über seinen Antrag entscheiden.
Im Fall des Kölner Politikers stellen sich nach der Tat zahlreiche Fragen. So sind in seinem Haus fünf Schusswaffen gefunden worden, wobei nach Berichten des »Kölner Stadtanzeiger« nur vier ordnungsgemäß auf der Waffenbesitzkarte eingetragen sind. Auch ist unklar, ob nicht ein rassistisches Motiv vorlag. Der CDU-Mann teilt auf seiner privaten Facebookseite regelmäßig Beiträge aus dem rechtspopulistischen Spektrum. Weder der 72-jährige noch seine Partei äußern sich bislang zu dem Fall. Ein klares Statement hingegen gibt es von der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos): »Klar ist, dass eine solche Tat mit den Erwartungen an ein öffentliches Mandat unvereinbar wäre.« Gegen den Kommunalpolitiker wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.
Noch nicht bewaffnet ist der Bürgermeister einer nordrhein-westfälischen Kleinstadt, er möchte dies aber ändern. Seit dem letzten Frühjahr wird er von Neonazis bedroht. Einen Antrag bei der Polizei, auf einen Waffenschein, lehnte diese ab. Nun muss sich das Verwaltungsgericht mit dem Fall befassen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) äußerte sich zu dem Ansinnen des Politikers ablehnend. »Wenn es Anhaltspunkte für Gefährdungen gibt, werden alle nötigen Maßnahmen ergriffen. Ich persönlich halte nichts davon, wenn sich Mandatsträger bewaffnen.«
Der Anwalt des Bürgermeisters widersprach Reul gegenüber dem WDR: »Im Gegensatz zum Innenminister sind die kommunalen Amtsträger nicht geschützt. Meiner Meinung nach wird man bald keine Bürgermeister mehr finden, wenn man sie mit dieser Bedrohung alleine lässt.« Ähnlich äußerte sich auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im nordrhein-westfälischen Landtag Sven Wolf. Es sei »erschüttert«, wie »täglich die Bedrohungen in unserer Gesellschaft zunehmen«. Der Innenminister müsse aufklären, »ob der betroffene Bürgermeister sich vorher an ihn oder die Polizei gewandt« habe. Der Rechtsstaat müsse verhindern, dass »Menschen das Bedürfnis empfinden, sich selbst zu bewaffnen.« Dies gelte besonders für Amtsträger, denen gegenüber der Staat eine besondere »Schutzpflicht« habe.
Zahlreiche Kommunalpolitiker, darunter auch Henriette Reker und Andreas Hollstein, die beide schon von Rechten attackiert wurden, äußerten sich ablehnend gegenüber der Idee einer Selbstbewaffnung von Amtsträgern. Auch die Gewerkschaft der Polizei beharrt darauf, dass Schutz Aufgabe der Sicherheitsbehörden sei. Welche Konsequenzen eine Selbstbewaffnung haben kann, ist am Kölner Fall zu sehen. Doch die Frage, wie Kommunalpolitiker effektiv geschützt werden können, bleibt offen.
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