Österreichische Koalitionsprobleme

Bereits kurz nach der Regierungsbildung kriselt es zwischen Grünen und Konservativen

  • Stefan Schocher, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch nicht einmal zwei Wochen ist sie alt, die türkis-grüne Regierung in Wien, da keimen sie schon, die Zwistigkeiten. Der Streit entzündet sich bei den erwartbaren Punkten: Integration, Migration sowie Landwirtschafts-, Familien- und Sicherheitspolitik. Vor allem aber bei allem zugleich.

Jüngster Streitpunkt: ein Vorstoß der ÖVP-Integrationsministerin Susanne Raab. Sie ließ wissen, dass man doch über eine Ausweitung des vereinbarten Kopftuchverbots an Schulen auf Lehrer nachdenken solle. Vereinbart wurde im Regierungsabkommen zwischen ÖVP und Grünen aber lediglich eine Ausweitung des Kopftuchverbots auf Schülerinnen bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres - und auch das nur zähneknirschend seitens der Grünen. Rückendeckung für seine Parteikollegin kam dann prompt von Kanzler Sebastian Kurz höchst persönlich: Es sei das gute Recht der Ministerin, das so zu sehen, und er teile ihre Einschätzung.

Auf der grünen Seite der Regierungsbank sorgte das für einige Verwunderung. Vizekanzler Werner Kogler, dem mittlerweile der Vorwurf anheftet, gemeinsame Auftritte mit Kurz zu vermeiden, konterte mit einer Absage: »Nicht vorstellbar.«

Koglers häufige Solo-Auftritte fallen mit dem Umstand zusammen, dass es auf vielen Feldern kriselt. Gerade einmal zwei Tage vor der Kopftuchidee hatte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) die Grünen verärgert. Vor Journalisten sagte er, dass sich Österreichs Position in Sachen UN-Migrationspakt nicht ändern werde. Österreich hatte den Pakt seinerzeit unter der Koalition zwischen ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ nicht unterzeichnet. Die Grünen waren damals dafür.

Schallenbergs Statement rief zahlreiche Reaktionen bei den Grünen hervor - auch wenn man sich eine Kursänderung wohl nicht erhofft hatte, so doch eine Debatte. »Nicht glücklich« über die Aussagen war etwa Ewa Ernst-Dziedziz, Abgeordnete, Mitglied im Parteivorstand und Koalitionsverhandlerin. Sigi Maurer, Fraktionsvorsitzende und Hassfigur des rechten Lagers, beteuerte: »Das ist nicht unsere Position.« Und die grüne Delegationsleiterin im EU-Parlament, Monika Vana, bezeichnete die Aussage Schallenbergs als »einseitige Festlegung«.

Und da ist das heißeste aller Themen noch gar nicht angepackt: die Sicherungshaft, also präventiver Freiheitsentzug im Verdachtsfall, das Prestigeprojekt der ÖVP. Die Grünen hatten dem letztlich widerwillig zugestimmt. In der Partei aber gab und gibt es nach wie vor große Widerstände dagegen. »Nicht meine Weltanschauung, nicht meine Haltung, nicht meine Politik«, schrieb die grüne Abgeordnete Faika El-Nagashi zur Sicherungshaft und anderen von der Fraktion mitgetragenen Positionen zum Thema Integration auf Facebook. Kogler versuchte indes zu besänftigen und betonte, dass man diese Haft bestenfalls bei »rabiaten Einzelfällen« und keinesfalls für ganze Personengruppen anwenden werde. Im Übrigen sei die Rechtsschutzversicherung in diesem Fall, dass die Grünen ja das Justizressort innehätten.

Nun sind die Themenfelder Integration, Migration und Außenbeziehungen ministeriell und inhaltlich fest in der Hand der ÖVP. Querschüsse kamen jedoch auch bei grünen Kernthemen. So will Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) an einer steuerlichen Begünstigung von Agrardiesel festhalten. Denn - und hier schimmert die ÖVP durch, bevor sie die Ökologie für sich entdeckt hat - es dürfe keine wirtschaftlichen Nachteile für österreichische Landwirte und Landwirtinnen geben.

Nun sind aber gerade die Ökologisierung des Steuersystems und die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen grüne Leuchtturmprojekte im Regierungsabkommen. Und es sind diese Punkte, auf denen die Entscheidung der Grünen fußt, dem Pakt mit der ÖVP inklusive Sicherungshaft und einer zutiefst ÖVP-gefärbten Bildungs- und Migrationspolitik überhaupt zuzustimmen.

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