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Zielscheibe der Rechten in Kiew
Rosa-Luxemburg-Stiftung in der Ukraine angegriffen
Es war ein unerwarteter Besuch, den die Vertretung der linksparteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) in der ukrainischen Hauptstadt Kiew bekam. Vertreter der rechtsradikalen Gruppierungen Nationaler Widerstand und Tradition und Ordnung ließen sich am Sonntag mit verpixelten Gesichtern vor dem Eingang mit dem umgedrehten Schild der Stiftung fotografieren. Anschließend wurde die Tür des Stiftungsbüros in der Kiewer Innenstadt mit Graffiti beschmiert, auf dem das Wort »Separatisten« sowie Kennzeichen der beiden Gruppierungen standen. Tradition und Ordnung soll gute Kontakte zur rechten Identitären Bewegung halten und nutzt das gleiche Logo. »Die unbekannte Gruppe der Menschen aus beiden Gruppen besuchte das Büro, weil diese Organisation die Linksradikalen finanziert, die eine Demonstration auf dem Michaelisplatz durchführten«, hieß es dazu in einem anonymen Kanal im Messengerdienst Telegram, der nach eigenen Angaben »für die Verbesserung der Identifizierung der Linksradikalen« erdacht wurde.
Bei der Demonstration handelte es sich um die Aktion ukrainischer Linker und Antifaschisten, die jährlich am 19. Januar an die Ermordung der russischen Antifaschisten Anastasija Baburowa und Stanislaw Markelow vor elf Jahren erinnern. Die Demonstration, an der angeblich rund drei Dutzend Menschen teilnahmen, verlief diesmal zum großen Teil friedlich, auch wegen des Einsatzes von etwa 300 Polizisten, die die Teilnehmenden vor Rechten Angriffen schützte.
Die Beschmierung des RLS-Büros - der erste physische Angriff auf eine deutsche politische Stiftung in der Ukraine - soll am Nachmittag nach der Demonstration stattgefunden haben. »Das hat uns schon sehr überrascht. Wir haben sofort die deutsche Botschaft in Kiew informiert, die sich sehr besorgt zeigte«, erzählt Ivo Georgiev, Büroleiter der RLS in Kiew. Den Vorwurf, die Stiftung hätte die Demonstration finanziert, weist er kategorisch zurück.
Dagegen sprechen Georgiev und Projektmanagerin Nelja Wachowska generell von einem etwas düsteren Klima, das zuletzt um die Stiftung herrschte. Das habe bereits 2018 angefangen, als ein prominenter Parlamentsabgeordneter des ukrainischen Parlaments die gesamte RLS als »Linksextremisten« bezeichnete. Auf der konservativen Gegendemonstration zum internationalen Frauentag am 8. März 2019 war ein Banner mit Logos von vier Stiftungen zu sehen, die aus der Sicht der Autoren »aus der Ukraine weg müssen«. Darunter neben der RLS auch die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung. »Das ist eine alarmierende Entwicklung«, betont Ivo Georgiev. »Wir müssen nun natürlich nachdenken, wie wir sicherheitstechnisch darauf reagieren. Aber eigentlich macht mich das nur noch zuversichtlicher, dass wir alles richtig machen. Wir wissen auch, dass es in der Ukraine eine große Nachfrage nach linken Antworten gibt, denn linke Parteien sind hier leider kaum politisch repräsentiert.«
Dabei spielt der Stiftung das Image der Linkspartei, die in weiten Kreisen der ukrainischen Gesellschaft als prorussisch gilt, sicher nicht in die Hände. »Wir stehen der Linkspartei nahe, sind aber nicht mit ihr identisch. Wir sind eine deutsche politische Stiftung, die Bildungsarbeit leistet«, sagt Georgiev.
Zu dieser Arbeit gehört der Monitorbericht zur rechten Gewalt in der Ukraine, den die RLS ausgerechnet am Tag nach dem Vorfall vorstellte. Zwischen Oktober 2018 und Oktober 2019 hat die Stiftung zusammen mit einer ukrainischen Nichtregierungsorganisation 137 rechtsradikal motivierte Vorfälle gezählt und analysiert, bei 89 von ihnen wurde Gewalt angewendet. »Das reale Ausmaß könnte größer sein. Wir konnten nur das sammeln, worüber etwa die Medien berichteten«, sagt Wachowska. Denn es werde oft nicht ausführlich genug über Attacken berichtet, die bestimmte Bevölkerungsgruppen politisch Andersdenkender betreffen. Generell zählt die Studie Vertreter der LGBT-Gemeinschaft, Feministinnen, ethnische Minderheiten, Migranten und Juden zu den Bevölkerungsgruppen, die am meisten betroffen sind. »Die Bedeutung der Rechten wird in der Ukraine oft verharmlost«, sagt Georgiev. »Sie sitzen zwar meist nicht im Parlament«, ergänzt Wachowska. »Sie kontrollieren aber die Straßen, diktieren dort die Agenda und haben Ansprechpartner in den Sicherheitsbehörden. Dadurch haben sie viel mehr Einfluss, als manch einer denkt.«
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