Das gierige, geizige Geschlecht

Die Hohenzollerngruft im Berliner Dom wird renoviert - die Nachfahren geben keinen Cent dafür

  • Jan Knapp
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Hohenzollerngruft im Berliner Dom wird renoviert und ist von März an bis voraussichtlich Frühjahr 2023 geschlossen, vermelden die Nachrichtenagenturen. Für die notwendig gewordenen Sanierungsmaßnahmen werden 17,3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, teilte der Vorsitzende des Domkirchenkollegiums, Stephan Harmening, am Donnerstag in Berlin mit. Zu erfahren war auch, dass sich das Haus Hohenzollern finanziell nicht daran beteiligt. Keinen Cent rückt die Familie heraus für die Restaurierung und geplanten Umbauten in der 1905 errichteten Gruft, die 94 Sarkophage ihrer Ahnen beherbergt, darunter die des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg sowie des preußischen Königs Friedrich I. und seiner Ehefrau, Königin Sophie Charlotte.

Am 16. Januar hatte auf Antrag der Fraktion der Linkspartei eine Debatte des Bundestages zum Thema »Entschädigung der Erbengemeinschaft Hohenzollern« stattgefunden. Es ist jedoch nicht zu einer Abstimmung gekommen, nach hitziger Diskussion landete der Antrag in den Ausschüssen. Für Nichtjuristen und Nichthistoriker war es nicht so einfach, den Ausführungen der Kontrahenten zu folgen. Es wimmelte nur so von Schlagwörtern wie Moral, Verantwortung, Familienclan, Demokratie, Rechtsstaat, Unrechtsstaat, Gleichheit, SED-Geld ... Selbst Wilhelm Pieck und Erich Honecker gespensterten durch die Debatte.

Es geht um viel Geld, Millionenbeträge. Im Kern muss die Frage beantwortet werden: Haben die Hohenzollern und besonders ihre Exponenten, Ex-Kaiser Wilhelm II. und sein Kronprinz Wilhelm, den Nazis erheblichen Vorschub geleistet? Die Argumentation von Jan Korte (Linke) war überzeugend. Das hinderte aber die AfD-Politiker Alexander Gauland, Marc Jongen und Armin-Paul Hampel nicht an unsachlichen Angriffen. Die Kontroverse im Bundestag verdeutlichte, dass es noch immer zahlreiche »Höflinge« gibt, die emsig an der Reinwaschung der Hohenzollern und der Hervorhebung ihrer »historischen Verdienste« arbeiten.

Der »Tag von Potsdam« am 21. März 1933, als es zum symbolträchtigen Händedruck zwischen Hitler und dem Preußen Hindenburg kam, ist nur die Spitze des Eisberges der Kungelei mit der Naziführung. In aller Öffentlichkeit demonstrierten die Hohenzollern den Gleichschritt mit den neuen, braunen Machthabern, die sich daranmachten, das vom Hohenzollern-Kaiser Wilhelm II. seinen »Untertanen« verkündete, trügerische Versprechen »Ich führe euch herrlichen Zeiten entgegen« zu erfüllen - und letztlich die Menschen Europas in unsägliches Leid, in eine mörderische Katastrophe stürzten.

Die Diskussion über Entschädigung oder Rückgabe von einstigen Besitztümern an die Hohenzollern ka-priziert sich vornehmlich auf die Zeit von 1918 bis 1933. Das ist nicht ausreichend. Zu fragen ist: Was haben die Hohenzollern überhaupt geleistet? Wie steht es um ihre »Verdienste« in der deutschen Geschichte?

Brandenburg-Preußen entstand im Gefolge der Ostkolonisation; slawische Bevölkerungsgruppen wurden grausam unterworfen, ausgebeutet und assimiliert. Damals hieß es: »Taufe oder Tod.« 1415 erhielt der Burggraf von Nürnberg Friedrich von Hohenzollern die Mark Brandenburg von König Sigismund als Lehen; damit verbunden war der Titel eines Kurfürsten. Seine Nachfolger zimmerten sich, unter permanentem Verrat an Kaiser und Reich sowie mit aggressiven Gebärden, eine Hausmacht zusammen. Am 18. Januar 1701 setzten sie sich erstmals eine Königskrone auf, aus dem Kurfürstentum wurde ein Königreich, das sich in der Regentschaft des Zynikers Friedrich II., der drei Kriege führte, interkontinental ausweite.

Nach der Niederlage von Jena und Auerstedt gegen Napoleons Grande Armée am 14. Oktober 1806 musste Preußens »König Infinitiv« von den Reformern Scharnhorst, Stein, Hardenberg regelrecht zur »Revolution von oben« gezwungen werden. Während sich der Hohenzollern-Herrscher ängstlich in die letzte Ecke seines auseinanderbröselnden Reichs verkroch (»Unser Dämel sitzt in Memel«), erhob sich die Bevölkerung und kämpfte an der Seite Russlands gegen den französischen Imperator. »Der König rief, und alle, alle kamen« - ist eine Mär.

Unzweifelhaft gehört Kaiser Wilhelm II. aus dem Hause der Hohenzollern zu den Hauptschuldigen bei der Auslösung des Ersten Weltkrieges. Obwohl ältester Enkel der Queen Victoria, hatte er zuvor schon mit seiner geliebten Flottenrüstung die Engländer in das Lager der Kriegsgegner getrieben. Seine dilettantische Außenpolitik, die unter anderem Bismarcks mahnende Worte »Gegen Russland nie« ignorierte, hatte Deutschland rechtzeitig isoliert. Mit 59 vollgepackten Güterwagen, darunter etliche Kunstschätze, floh der in der Novemberrevolution 1918 gestürzte Monarch feige ins niederländische Doorn - vor einer durchaus drohenden, von den Ententemächten zumindest angekündigten Aburteilung als Kriegsverbrecher. Der Ex-Kaiser erhielt von der Weimarer Republik monatlich noch 50 000 Reichsmark, Anspruch erhob Wilhelm auf 183 Millionen Goldmark.

Weimarer Demokraten wollten die Schlösser und Kulturschätze deutscher Dynastien wohltätigen, kulturellen und pädagogischen Zwecken zuführen. Am 20. Juni 1926 gaben 14,5 Millionen Deutsche ihre Stimme für die entschädigungslose Enteignung der Fürsten ab. Erforderlich wären 20 Millionen gewesen. Trotzdem bleibt diese Abstimmung eine der größten demokratischen Bekundungen in Deutschland. Am 6. Oktober 1926 schlossen das Land Preußen und das Haus Hohenzollern einen Vergleich ab: Die Hohenzollern sollten 250 000 Morgen Land behalten, die Schlösser bekam der Staat. Bei der Abstimmung im Landtag am 23. Oktober kipptet die SPD um, nur die KPD stimmt gegen den Vergleich.

Die Brandenburger Linken starteten 2019 eine Volksinitiative gegen die Rückgabe von Vermögen und Entschädigungszahlungen an die Hohenzollern. Es ist zu wünschen, dass Demokraten aus anderen politischen Lagern sich der Verweigerungsfront gegen das gierige und zugleich geizige Geschlecht anschließen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.