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Zu viele Lippenbekenntnisse

SONNTAGSSCHUSS: Vereine können im Umgang mit Rassismus noch einiges von den Fans lernen, findet Christoph Ruf

Am Wochenende wurde in den drei obersten Fußballligen der Republik den Opfern der Hanauer Wahnsinnstat gedacht. In den meisten Stadien ging das würdevoll und ruhig vonstatten. Wer schon einmal miterlebt hat, wie sich einige Besuchergruppen in KZ-Gedenkstätten benehmen, kann ermessen, was es bedeutet, wenn von 50 000 Menschen kein einziger meint, er müsse die Ruhe durch einen dämlichen Zwischenruf stören.

In Freiburg skandierte die Heimkurve während der Gedenkminute »Nazis raus«, die der Auswärtsfans von Fortuna Düsseldorf stimmte sofort mit ein. Auch das ist ein deutliches Signal, vor allem in Zeiten, in denen AfD-Politiker wie Jörg Meuthen den Versuch unternehmen, dem Amoklauf eines fraglos psychisch auffälligen Menschen den politischen Hintergrund abzusprechen.

Die Fußballfans sind in den vergangenen 20 Jahren politischer geworden und haben sich dabei fast durchgehend von rechts nach links bewegt. Die Anhänger von Preußen Münster zum Beispiel sind vergangene Woche zurecht dafür gelobt worden, dass sie den rassistischen Pöbler, der Würzburgs Spieler Leroy Kwadwo beleidigt hatte, den Ordnern übergeben haben. Auch bei den Vereinen selbst hat sich in den letzten Jahren einiges in die richtige Richtung bewegt. Auch dass der DFB sich rhetorisch klar positioniert, ist positiv, zumal sich die diesbezüglichen Aussagen des neuen Präsidenten Fritz Keller deutlich glaubwürdiger anhören als die seines Vorgängers.

Und doch sind die Gegen-rechts-Statements der Branche noch viel zu oft reine Lippenbekenntnisse, denen inhaltlich dann nichts folgt. Die 387. Durchsage beim 387. Gedenktag bringt nichts, wenn den Vereinen, die ein Problem in ihrer Fanszene haben, keine Hilfestellung gegeben wird - ein Vorwurf, den sich vor allem die Landesverbände gefallen lassen müssen. Vor allem in ländlichen Regionen - in Ost und West - klagen auch anno 2020 viele Fußballspieler über rassistische Pöbeleien. So manche Rote Karte kommt Sonntag für Sonntag zustande, weil Spieler X nach der zehnten Beleidigung durch Spieler Y die Nerven verliert und sich wehrt.

Für einen Journalisten lohnt es sich durchaus, nach derlei Vorfällen einmal die Trainer beider Mannschaften anzurufen, ihnen Vertraulichkeit zuzusichern und sie im Gegenzug zu bitten, offen und ehrlich über den Alltag am Kreisliga-Wochenende zu berichten. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass beide im ersten Satz feststellen, es gäbe in ihrem Verein keinen Rassismus. Um dann im zweiten auszuführen, dass Beleidigungen zwar nicht schön seien, zum Fußball aber irgendwie halt auch dazugehörten. Und genau deshalb höre man - leider, leider - eben als Syrer oder Senegalese auch mal ein »Bimbo«, »Kameltreiber« oder »Kanake«. Da müsse man dann eben drüberstehen.

Ein hohes Maß an Heuchelei muss man auch dem Chemnitzer FC vorwerfen, der viel Lob dafür bekam, als er seinen Spieler Daniel Frahn im August aus dem Kader warf. Dieser war zuvor bei einem Auswärtsspiel neben dem Mitglied einer rechten Ultragruppe (»Kaotic Chemnitz«) in der Gästekurve aufgetaucht. Egal, ob Frahn, der zuvor schon ein »Support your local hools«-Shirts gezeigt hatte, nun ein politisch ungebildeter Naivling ist (wie er selbst sagt) oder ein in der Wolle gefärbter Rechter (wie viele Fans glauben), der Verdacht liegt nah, dass er von den Chemnitzer Verantwortlichen instrumentalisiert wurde, um - auch politisch - in besserem Licht dazustehen.

Zuvor hatte der CFC das massive Problem mit der rechten Szene innerhalb der eigenen Anhängerschaft jahrelang wider besseres Wissen relativiert und abgestritten. Frahns Rauswurf dürfte dem damaligen Vorletzten der 3. Liga zudem auch finanziell zupass gekommen sein. Schließlich war Frahn Topverdiener im Team der Sachsen, die mitten in einem Insolvenzverfahren steckten.

Dass Frahn letztlich die Bekanntschaft mit dem besagten »Kaotic«-Mitglied zum Verhängnis wurde, verwundert auch insofern, als der rechtextreme Ultra zuvor schon mal zwei Stunden bei der internen Aufstiegsparty in der Mannschaftskabine mitfeiern durfte, wie Chemnitzer Spieler berichten. Mitbekommen hatten das selbstverständlich auch die Vereinsfunktionäre, die ebenfalls mitfeierten. Ihre antifaschistische Gesinnung haben sie aber erst entdeckt, als es die Chance gab, sich durch den Rauswurf von Frahn medienwirksam in Szene zu setzen.

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