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Familienehre wiederhergestellt
Als Ausgleich zu einer Großspende an die AfD sammeln Angehörige des Spenders Geld für Initiativen gegen Rechts
Sie haben eine Spendenkampagne für zivilgesellschaftliche Projekte gestartet, nachdem Ihr Verwandter Christian Krawinkel als Spender für die AfD bekannt wurde. Geht es hier um einen Familienkonflikt?
Viele Menschen widersprechen rassistischen Äußerungen im Familien- oder Bekanntenkreis und wahrscheinlich führen solche Kontroversen auch öfter zu Familienkonflikten. Bei uns geht es um eine Spende über 100 000 Euro an den Thüringer Landesverband der AfD unter Björn Höcke. Das ist insofern nochmal eine andere Dimension. Andererseits gibt es keinen wirklichen Konflikt in der Familie, denn zu Christian Krawinkel, der ein Onkel zweiten Grades ist, besteht seit Jahrzehnten kein Kontakt. Und in meinem Teil der Familie teilen wir die öffentliche Empörung über seine Spende. Insbesondere der Thüringer AfD-Landesverband ist Sprachrohr der extremen Rechten. Gerade erst hat Höcke unverhohlen zum völkischen Umsturz aufgerufen.
Moritz Krawinkel ist Soziologe. 2011 war er Mitherausgeber des Bandes »Antifa« aus der Reihe »theorie.org« des Schmetterling-Verlags. Er ist Onlineredakteur bei Medico International. Peter Nowak sprach mit ihm über eine Spendenaktion, die er als Reaktion auf die Unterstützung der AfD durch einen Verwandten initiierte.
War die politische Haltung Christian Krawinkels, der ein bekannter Berliner Immobilienunternehmer ist, schon in der Vergangenheit ein Familienthema oder wurde sie es erst durch die Spende?
Es gibt seit Jahrzehnten keinen Kontakt zu Christian Krawinkel. Ich weiß daher auch nicht, wie er sich bisher politisch positioniert hat. Das war vorher bei uns kein Thema.
Wie waren die Reaktionen auf Ihre Initiative im Verwandten- und Freundeskreis?
Von Verwandten, Freund*innen, Kita-Eltern und Kolleg*innen gab es viel Zuspruch und Beteiligung an unserer Gegenspende. Insgesamt haben sich über 1700 Menschen beteiligt, 92 850 Euro sind gesammelt. Viele Menschen merken, dass die Situation zurzeit sehr ernst ist: Der rechte Terror in Hanau, der antisemitische und rassistische Anschlag von Halle, die rassistischen Drohungen eines NSU 2.0 und die AfD als politisches Sprachrohr dieses Hasses. Dagegen braucht es eindeutige Zeichen der Solidarität mit den Betroffenen der faschistischen Gewalt und eine starke antifaschistische Gegenwehr. In der Familie, auf der Straße, in den Medien und in Parlamenten.
Es ist auffallend, dass gleich fünf Familienmitglieder die Aktion unterstützen. Gibt es auch andere Familienmitglieder, die die Spende von Christian Krawinkel verteidigten?
Ich kenne niemanden mit dem gleichen Nachnamen, der oder die sich hinter Christian Krawinkel stellen würde.
Sie sind Mitautor des Buches »Antifa« und als antifaschistischer Aktivist bekannt. Ging die Initiative von Ihnen aus oder waren da alle fünf Familienmitglieder beteiligt?
Die Idee entstand mit Freunden und wurde im Familienchat begeistert aufgenommen. Dann haben alle mit Mails an Freundinnen und Bekannte, über die sozialen Medien und in Gesprächen auf die Aktion aufmerksam gemacht.
An welche Projekte sollen die Spenden gehen?
Wir sammeln 100 000 Euro für das Netzwerk Polylux, das in Ostdeutschland Initiativen und Vereine gegen rechts unterstützt. Polylux macht eine super Arbeit und fördert größere und kleinere Projekte, die sich im Alltag dem Rechtsruck entgegenstellen. Das sind unter anderem (post-)migrantische Netzwerke, unabhängige Kultur- und Jugendarbeit, antifaschistische Bildungsarbeit, Unterstützung von Geflüchteten. Die Initiative steht Menschen zur Seite, die dort arbeiten, wo es ziemlich wehtut: in der ersten Reihe gegen die AfD und Neonazis - und die gleichzeitig gesellschaftliche Alternativen aufzeigen: kritisch, solidarisch und selbstbestimmt.
Sehen Sie Ihre Initiative auch als Pilotprojekt für andere Familien, in denen die Meinungen so auseinandergehen?
Über die sozialen Medien, in Gesprächen und auf der Kampagnenseite gibt es sehr viele inspirierende Rückmeldungen von Menschen, die sich beteiligen und von Auseinandersetzungen in ihren Familien erzählen. Für viele scheint die Spendenkampagne ermutigend zu wirken, sich selbst im Alltag konsequenter gegen Rassismus und Ausgrenzung zu positionieren. Das ist, jenseits des Geldes für die Projekte, vielleicht das Schönste an der Aktion.
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