Das Korsett von »Frau«-Sein ist zu eng

Der 8. März ist kein Frauentag, sondern feministischer Kampf

  • Vanessa Fischer und Samuela Nickel
  • Lesedauer: 3 Min.

Der 8. März steht bevor. Yeah!, sagen wir und meinen das heute sogar ernst. Wir sind dankbar für den Kampf, den Generationen von Feministinnen vor uns geführt haben. Dafür, dass wir wählen und studieren können, keine Kinder austragen oder heiraten müssen, arbeiten können, obwohl wir es viel lieber nicht müssten - kurz: an dieser Gesellschaft, so unfertig und mangelhaft sie noch immer ist, zumindest etwas mehr teilhaben können, als es viele Personen einige Generationen vor uns konnten. Wir freuen uns auf die Demos und Veranstaltungen, die anstehen, und darüber, dass mal ein paar mehr Menschen über Feminismus sprechen werden.

Das war allerdings nicht immer so. Lange Zeit unseres Lebens waren wir eher peinlich berührt von dem, was Feministinnen zu sagen hatten. Wir wollten Feministinnen sein, aber konnten es nicht. Verstanden haben wir das damals nicht. Heute können wir es benennen: Lange fühlten wir uns nicht mitgemeint, obwohl wir, jede für sich, dieselben Kämpfe geführt haben. Wir fühlten uns von Feministinnen auf das vermeintliche »Frau«-Sein reduziert und ebenso fremdbestimmt wie von der patriarchalen Gesellschaft. Wenn über körperliche Merkmale eine vermeintliche Gemeinschaft geschaffen wird, dann schließt das viele Menschen aus. Uns ist dieses Korsett von »Frau«-Sein zu eng. Die Prämisse, die unserem Feminismus heute zugrunde liegt, ist eine andere: Sexistische Erfahrungen machen wir nicht, weil wir eine Vulva haben - sondern weil die Gesellschaft uns ein Geschlecht und damit verbundene Stereotype zuweist, die dann in Diskriminierung enden.

Daneben haben Zweite-Welle-Feministinnen wie Alice Schwarzer oft nur ein sehr bestimmtes Bild von Frau im Kopf: weiß, mittelständisch, schlank und ohne Behinderung. Migrantische Erzählungen, alleinerziehende, arbeitslose Mütter, Homo- und Transfeindlichkeit, gepaart mit Sexismus-, Rassismus-, und Klassismuserfahrungen, ostdeutsche »Frauen«-bilder, die auf westdeutsche Definitionen von Feminismus prallten, sexpositive Selbstermächtigung - all das findet in den Diskussionen des Zweite-Welle-Feminismus kaum statt. Natürlich sind nicht alle so, und die Trennung zwischen Zweiter und Dritter Welle verläuft fließend.

Es ist aber einer der wichtigsten Bestandteile von Empowerment zu merken, nicht allein mit dem Schmerz zu sein. Zu realisieren, dass andere Menschen die gleichen Erfahrungen machen. Sich zu verbünden und daraus Kraft zu schöpfen. Erst, als der Feminismus begann, queer und intersektional zu werden, also als er weniger biologistisch wurde und auch Mehrfachdiskriminierungen mitbedachte, haben wir gemerkt, dass wir tatsächlich gemeinsame Sache machen können. Um feministisch kämpfen zu können - also gegen Femizid und sexualisierte Gewalt, den Gender-Pay-Gap und den Care-Work-Gap, Abtreibungsverbot oder zermürbende Diskriminierung im Alltag - braucht es, obwohl Menschen mit Gebärmutter und Vulva zum größten Teil von diesen zerstörerischen gesellschaftlichen Mechanismen betroffen sind, keine Gebärmutter und keine Vulva.

Und da hört der Feminismus für uns nicht auf: Wir kämpfen für eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Gehalt, Klimagerechtigkeit, Barrierefreiheit und vieles mehr. Wer von Diskriminierung betroffen ist, sollte nicht darauf reduziert werden, sondern Sichtbarkeit und Stimme bekommen. Bis heute löst viel von dem, was am 8. März passiert, was auf den Demos und Veranstaltungen gesagt wird, Unbehagen in uns aus. Feministische Kämpfe sind für uns keine »Frauenkämpfe«. Der 8. März hat für uns nicht so viel mit »Frau«-Sein zu tun, sondern viel mehr mit Feminismus, und zwar intersektionalem Feminismus. Und wir müssen nicht als Frau gelesen werden, uns als Frau definieren - keine Frau sein, um da mitzukämpfen.

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