Tabubrüche in Serie

Nach Vorfällen von Kassel und Wahl eines AfDlers durch Bodo Ramelow steht die Linkspartei vor Zerreißprobe

Die Linke wird derzeit von internen Auseinandersetzungen geschüttelt. Erst ein verunglückter Witz von Parteichef Bernd Riexinger auf der Strategiekonferenz in Kassel, den politische Gegner ausschlachten. Dann hebt der gerade wiedergewählte Linke-Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow mit seiner Stimme einen AfD-Mann ins Amt des Landtagsvizepräsidenten. Und schließlich erteilte Ex-Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht der humanitären Aufnahme Geflüchteter aus dem türkisch-griechischen Grenzgebiet eine Absage. Dem Sender Phoenix sagte sie, Umfragen zeigten, dass »die Mehrheit« hierzulande keine Geflüchteten aufnehmen wolle. Wenn man die AfD nicht noch stärker machen wolle, dürfe man »nicht Dinge tun, die genau das im Effekt bewirken«. Die »völlige Kontrolllosigkeit von 2015« dürfe sich nicht wiederholen.

All das treibt die Genossen um. Rücktrittsforderungen werden, wenn auch indirekt, bislang aber nur gegen Bernd Riexinger vorgebracht. Er hatte am 29. Februar in Kassel gesagt, man werde Reiche im Zuge eines sozial-ökologischen Umbaus »nicht erschießen«, sondern »für nützliche Arbeit einsetzen«. Eine Genossin hatte zuvor gesagt, auch wenn man »nach 'ner Revolution« das »eine Prozent« der Superreichen »erschossen« habe, bleibe die Energiewende nötig. Riexinger wie auch die Genossin baten später um Entschuldigung.

Am Dienstag sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch der »Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft« mit Blick auf Kassel: »Für Gewaltfantasien und eine Verächtlichmachung des Deutschen Bundestages habe ich keinerlei Verständnis. Diese Konferenz hat uns geschadet. Wie damit umzugehen ist, müssen zunächst die beiden Parteivorsitzenden erklären.« Ein Teilnehmer hatte auf der Tagung gesagt, Aufgabe der Linken sei es, »Staatsknete« und »Informationen aus dem Staatsapparat« abzugreifen und »außerparlamentarischen Bewegungen« zuzuspielen. Das Parlament brauche man nur »als Bühne«.

Die Schweriner Linke-Landtagsfraktion forderte Riexinger am Dienstag in einem offenen Brief auf, »darüber nachzudenken, ob Du erneut für den Parteivorsitz kandidieren möchtest«. Ein »Verzicht« könne »ein Beitrag sein, weiteren Schaden von uns abzuwenden.«

Der Parteivorstand verabschiedete derweil eine Erklärung, in der die Wahl eines AfD-Mandatsträgers durch Bodo Ramelow als »falsch« bezeichnet wird. Sehr viel deutlichere Kritik hatte zuvor die stellvertretende Bundesvorsitzende Janine Wissler geübt. Auf Twitter hatte sie geschrieben, Ramelows Entscheidung sei »völlig unverständlich und sie schmerzt«. Es müsse »dabei bleiben: Kein Handschlag und keine Stimme für Faschisten«. Ähnlich äußerte sich am Dienstag das Netzwerk »Links*kanax«, in dem sich migrantische Genossen und Sympathisanten zusammengeschlossen haben. In einer auf Facebook veröffentlichten Stellungnahme kritisiert die Gruppierung, die Anschläge von Hanau »und wir Menschen mit Migrationsgeschichte wie auch andere Hasssubjekte der Rechten« kämen in Ramelows Erklärung zu seinem Abstimmungsverhalten nicht vor.

Die Äußerungen der prominenten Genossen sorgen insbesondere in Bayern für Unmut. Dort finden am kommenden Sonntag Kommunalwahlen statt. Die Kommunalpolitikerin Eva Kappl schrieb via Twitter an Riexinger, Ramelow und Wagenknecht: »Wir wir reißen uns hier den Arsch auf und von jedem von euch kommt so ne Scheiße.« Bayerns Linke-Landessprecher Ates Gürpinar äußert sich moderater. Zwar sei vieles, was in letzter Zeit gesagt worden sei, »nicht hilfreich«, sagte er dem »nd«. Aber es habe in letzter Zeit in Bayern auch »viel Rückenwind« für die Linke gegeben. Gürpinar wünscht sich innerparteilich einen solidarischen Umgang miteinander.

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