»Für den Ernstfall müssen wir die Betten freihalten«

Käte Kalhorn, Gesundheits- und Krankenpflegerin in einem Krankenhaus in Berlin-Mitte

  • Johanna Treblin (protokolliert)
  • Lesedauer: 2 Min.

Als ich noch Auszubildende war, bin ich Mitglied des Berliner Pflegestammtischs geworden. Wir tauschen uns aus und setzen Projekte um. Unter anderem organisieren wir den »Walk of Care« für eine menschenwürdige Pflege, der dieses Jahr am 12. Mai zum vierten Mal stattfinden soll - aber jetzt ist natürlich die Frage, ob wir ihn wegen des Coronavirus absagen müssen.

Im Oktober 2019 habe ich meine Ausbildung beendet. Seitdem arbeite ich mit einer halben Stelle als Springerin in einem Krankenhaus in Berlin-Mitte - ich wechsele also alle paar Monate die Station. Gerade bin ich auf einer Station für Gerontopsychiatrie, also einer Psychiatrie für ältere Menschen. Da bekommen wir vom Coronavirus nicht so viel mit. Die Patient*innen dürfen keinen Besuch mehr bekommen, und wir haben Schutzkleidung erhalten, die bisher aber im Schrank hängt. Und wir wurden gebeten, in den nächsten zwei Monaten keinen Urlaub zu nehmen.

In meiner Klinik gibt es noch keinen Corona-Fall. Kolleg*innen, mit denen ich gesprochen habe, auch in anderen Häusern, erzählen, dass sie alle darauf warten, dass etwas passiert, aber es passiert zum Glück nichts. Manche haben sogar weniger zu tun: weil aufschiebbare Operationen aufgeschoben werden, um im Ernstfall die Betten frei zu haben - und um nicht noch mehr Risikopatienten zu schaffen. Denn wer operiert wird, ist geschwächt. Wenn es einen Fall gäbe, wäre das gerade in der Psychiatrie schwierig: Wir müssten die Patient*innen dazu bringen, auf den Zimmern zu bleiben. Wir soll man ihnen das erklären? Schwierig wäre es auch für depressive Patient*innen. Die sollen ja gerade motiviert werden, etwas zu tun - nicht, nichts zu tun. Dann wäre eine Einzelbetreuung notwendig, die schwer zu leisten ist.

Es gibt gerade weniger Druck auf mich, als viele denken. Das ist aber auch klar, wenn man sich die Statistiken anschaut: Noch gibt es wenige Fallzahlen und eben auch wenige Menschen, die wegen des Virus in Behandlung müssen. Von Bildern wie in Italien sind wir weit entfernt. Noch sind wir hier in der Klinik relativ entspannt. Und wenn wir alle zusammen es schaffen, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, dann bleibt es auch so.

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