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Kein Geld mehr für die Miete

Gewerkschaften in Spanien rufen zum gemeinsamen Zahlungsstopp auf

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist kein Aprilscherz: Mietergewerkschaften, die ausgehend von Katalonien ab 2017 gegründet wurden, und soziale Organisation rufen mit Beginn des Aprils zum Streik gegen fehlende Notmaßnahmen der sozialdemokratischen Regierung auf. Die Regierung aus Sozialdemokraten (PSOE) und der Linkskoalition »Unidas Podemos«, die sich selbst progressiv nennt, soll wegen der katastrophalen Situation angesichts der Coronavirus-Pandemie im Land zum Schutz der einfachen Bevölkerung gezwungen werden.

Aufgenommen wird eine Kampfform, die schon in den 1930er Jahren in Katalonien erprobt wurde. In der modernen Neuauflage hatten sich die Gewerkschaften wegen explodierender Mieten gegründet. Bisher forderten sie vor allem Mieterrechte ein und eine Regulierung der Mietpreise. Einige Aktivisten hatten Hoffnungen in die neue Regierung gesetzt, doch die wurden bisher enttäuscht. Ihre beim Coronavirus verspäteten Notmaßnahmen zeigen aus Sicht vieler, dass es auch der sozialdemokratischen Regierung vor allem um den Schutz der Wirtschaft und großer Unternehmen sowie Banken geht.

Kritisiert wird, dass die Regierung die Probleme einfacher Leute ignoriere. Gefordert wird, dass die von Notmaßnahmen betroffenen Menschen die Miete nicht mehr zahlen müssen. Der Streik sei die »einzige kollektive Antwort«, um allen zu zeigen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Es soll erreicht werden, dass Mietern nicht massive Schulden aufgebürdet werden und sie nicht früher oder später mit einer Zwangsräumung konfrontiert werden. Es gibt auch eine gemeinsame Widerstandskasse, um sich juristisch verteidigen zu können. »Gegen Tausende können sie nichts ausrichten«, erklären die Aktivisten.

Ganz so, als sei nichts passiert, würden auch jetzt weiter die in den vergangenen Jahren exorbitant gestiegenen Mieten gefordert. Was die Regierung bietet, führt zur steigenden Verschuldung. Mietern bei großen Anbietern oder Investmentfonds, die mehr als acht Gebäude vermieten, soll die Miete für bis zu vier Monate gestundet werden können. Angeboten werden Mietern Kredite, zwar zinslose, dennoch müssen sie abgestottert werden, in besonders bedürftigen Fällen gestreckt über sechs Jahre. Dafür soll eine Kreditlinie im Umfang von 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Zusätzlich soll es einen Schutz vor neuen Mieterhöhungen in den nächsten sechs Monaten geben, und in den ersten sechs Monaten nach der noch nicht absehbaren Beendigung des Alarmzustands keine Zwangsräumungen.

Die Mietergewerkschaft in Barcelona geht davon aus, dass nun etwa 1,5 Millionen Menschen in Spanien ihre Mieten nicht mehr bezahlen können. Stimmt die Zahl, reicht die Kreditlinie der Regierung bei Weitem nicht. Viele stünden dann nur zeitversetzt vor einer Zwangsräumung, wenn sie die Mietschulden später nicht mehr rückzahlen können. Der Sprecher der Mietergewerkschaft in Madrid prognostiziert eine neue »Überschuldung der Familien, die ohnehin am schlechtesten dran sind.« Javier Gil fügt hinzu: »Viele Menschen werden nicht nur ihre Stellen verlieren, sondern zudem verschuldet sein, damit die enorm gestiegenen Mieten weiter bezahlt werden.«

Gil erinnert an die vergangene Krise. Seither hat sich die Situation in Spanien aber deutlich verändert. Da zahllose Familien damals aus ihren Eigentumswohnungen geworfen wurden, weil sie die Hypothekenkredite nicht mehr bezahlen konnten, drängten sie auf den Markt für Mietwohnungen. Nun werden sie meist wegen Mietschulden geräumt. In Barcelona gab es zum Beispiel 2017 insgesamt 2519 Zwangsräumungen, 2139 wegen Mietschulden. Die Mieten sind extrem gestiegen, da auch immer mehr Wohnungen teuer an Touristen vermietet werden.

Die aktuelle Krise betreffe nun auch viele kleine Betriebe und Selbstständige. Der Sprecher der katalanischen Mietergewerkschaft Jaime Palomera erklärt, dass aus diesem Sektor etwa zehn Prozent der Anfragen kommen. Zu 90 Prozent seien aber Wohnungen betroffen. »In 60 Prozent der Fälle melden sich Frauen. Hier zeigt sich, wen es am schwersten trifft und wer am wenigsten geschützt ist.« Ab dem 1. April, so die Hoffnung, wird sich das ändern.

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