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Orbán will Geschlecht vorschreiben
Ungarische Gesetzreform könnte Ende der legalen Anerkennung von Trans-Personen bedeuten
Die Änderung des im Personenstandsregister eingetragenen Geschlechts unmöglich zu machen - das ist der Kern eines Gesetzentwurfs, den die Regierung Viktor Orbán kürzlich vorlegte. Die Ratifizierung hätte massive Folgen für die Rechte von Trans-Personen.
Der ausgerechnet am Internationalen Tag der Sichtbarkeit von Transgender vorgelegte Entwurf sieht vor, den bisherigen Begriff »nem« zu ändern, der im Ungarischen sowohl Gender als auch biolisches Geschlecht bedeuten kann. Künftig soll nur das »Geschlecht bei der Geburt« eingetragen werden. Gleichzeitig müssen Vornamen dem Geschlecht entsprechen. In der offiziellen Begründung heißt es: »Da es unmöglich ist, sein biologisches Geschlecht vollständig zu ändern, muss gesetzlich festgelegt werden, dass es auch standesamtlich nicht geändert werden kann.« Dabei geht es um Daten für Ausweise, Reisepässe und Führerscheine.
»Die Sperrung des Zugangs zur legalen Anerkennung des Geschlechts für Transgender-Personen verstößt gegen die Menschenrechtsstandards und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte«, kritisierte Dunja Mijatović, Menschenrechtskommissarin des Europarates, am Donnerstag. Gleichzeitig forderte sie das ungarische Parlament auf, die Gesetzesänderungen nicht anzunehmen. Auch Menschenrechtsaktivisten in Ungarn zeigten sich entsetzt. »Eine solche Maßnahme würde Transpersonen dazu zwingen, mit Dokumenten zu leben, die nicht ihrer wahren Identität und ihrem Aussehen entsprechen«, so Tamás Dombos von der Hungarian LGBT Alliance gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Nicht zuletzt setze die Gesetzesänderung Transpersonen einem erhöhten Risiko an Diskriminierung oder gar Gewalt aus.
Wann das Parlament über den Vorschlag abstimmen wird, ist bisher unklar. Eine Umsetzung erscheint mit Blick auf die Zweidrittelmehrheit von Orbáns Partei Fidesz jedoch realistisch. Dies wäre das Ende der legalen Anerkennung der Identität von Trans-Personen in Ungarn. Im Europaparlament wird das Vorhaben daher auf einen möglichen Verstoß gegen EU-Recht geprüft, sagte die linke Europaabgeordnete Cornelia Ernst. Bisher unklar ist auch, was eine Umsetzung für all jene mit bereits geänderten Geschlechtseintragungen bedeuten würde. Allerdings haben Trans-Personen laut der Agentur Reuters bereits seit 2018 Probleme, ihre Dokumente legal zu ändern. Auch hatte sich Ungarn erst im November 2019 geweigert, »Gender« entsprechend der Istanbul-Konvention als soziales Konstrukt zu definieren. So handelt es sich bei dem jetzigen Vorstoß der Regierung Orbáns um ein weiteres Glied einer Kette aus Menschenrechtsverletzungen und dem Aushöhlen von Rechtsstaatlichkeit.
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