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Kriegsgegner laden zu alternativem Protest

Aufgrund von Corona finden Ostermärsche symbolisch oder online statt / »Rheinmetall entwaffnen« plant Aktionstag

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Novum für die deutsche Friedensbewegung: Aufgrund der Corona-Krise wird es erstmals seit Jahrzehnten am Wochenende keine traditionellen Ostermärsche auf den Straßen geben. Ganz auf ein Statement verzichten müssen Kriegsgegner und Antimilitaristen jedoch nicht. Friedensorganisationen haben zu kreativen Aktionen im sowie außerhalb des Internets aufgerufen. Die Ideen sind vielfältig: »Wir fordern auf, Friedensfahnen, Transparente oder Schilder mit Friedensbotschaften ans eigene Haus oder ins Wohnungsfenster zu hängen«, erklärte Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der Organisation »Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen« (DFG-VK), gegenüber »nd«. Fotos der Aktionen könnten Teilnehmer auf der Webseite www.ostermarsch.de veröffentlichen.

Daneben rufen die Friedensorganisationen für den kommenden Samstag um 19 Uhr zu einem Online-Ostermarsch auf. Zu finden ist dieser unter www.dfg-vk.de. In dem Stream sind unter anderem Redebeiträge der Friedensnobelpreisträgerin und Anti-Atomaktivistin Beatrice Fihn, von dem Friedensbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland, Renke Brahms, sowie von Jürgen Grässlin, dem Sprecher der »Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel«, geplant. Musik kommt von Konstantin Wecker, Pablo Miró sowie der Rap-Combo Zweierpasch. Auch Online-Aktionen zum Mitmachen soll es geben.

Von Glaßer betonte die Notwendigkeit, sich grade auch in Corona-Zeiten für Frieden und Abrüstung einzusetzen. »Aktuell zeigt sich deutlich, wie falsch die Politik der letzten Jahre war«, sagte der Kriegsgegner. Den Gesundheitssektor habe man kaputtgespart und das Militär mit Milliardenbeträgen aufgerüstet. »Wir brauchen keine neuen Panzer, Drohnen und Raketen, sondern mehr Geld für die zivile Gesundheitsversorgung und den zivilen Katastrophenschutz.«

Bis zu den Aktionen am Wochenende wird sich die DFG-VK wie viele andere Initiativen auch weiter an den friedenspolitischen Debatten in sozialen Netzwerken beteiligen. Ein bedeutendes Thema war hier zuletzt ein möglicher Einsatz von bewaffneten Kräften der Bundeswehr im Innern. »Verfassungsbruch in Vorbereitung«, warnte der Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft in einem Videobeitrag.

Dem Bündnis »Virtueller Ostermarsch 2020« gehören neben der DFG-VK die Organisationen IPPNW Deutschland - Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung, Pax Christi Deutschland, das Netzwerk Friedenskooperative, die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für KDV und Frieden sowie die Naturfreunde Deutschlands an.

Auch das Bündnis »Rheinmetall entwaffnen« muss sich derweil auf die neue Situation einstellen. Ursprünglich hatten die Aktivisten geplant, die Hauptaktionärsversammlung der Waffenschmiede Anfang Mai in Berlin zu stören. Unterstützer wurden aufgerufen, sich Aktien des Konzerns zu beschaffen, um dadurch Zugang für das Tagungshotel zu erhalten und anschließend die Bühne stürmen zu können.

Aufgrund der Coronakrise hat Rheinmetall jedoch angekündigt, seine Hauptversammlung erst am 19. Mai stattfinden zu lassen - und sie virtuell durchzuführen. Das Bündnis der Kriegsgegner und Antimilitaristen will sich davon nicht beeindrucken lassen. Ende April soll es nach bisherigem Stand eine Online-Demonstration und am 19. Mai einen Aktionstag geben. An diesem möchte man auch außerhalb des virtuellen Raums sichtbar werden. An dem für Ende August geplanten Camp halten die Aktivisten zudem vorerst weiter fest. Die Debatten sind hier jedoch noch nicht abgeschlossen, heißt es aus dem Bündnis gegenüber »nd«. Falls eine verantwortungsvolle Durchführung der Aktionen nicht möglich sei, behalte man sich auch die Möglichkeit von Absagen oder Änderungen vor.

Dass ein scharfer Protest gegen Rheinmetall weiter notwendig ist, steht für das Bündnis jedoch außer Frage. »Waffengeschäfte werden derzeit zum sicheren Hafen für Kapitalanleger in der Corona-Krise gemacht«, sagte die Bündnissprecherin Carola Palm gegenüber »nd«. Dieses Handeln von Politik und Konzernen verschärfe Konflikte, anstatt sie zu lösen. Ein Stopp der Rüstungsproduktion und der Exportgenehmigungen sei dringend notwendig. »Als Sofortmaßnahme in der gegenwärtigen Krisensituation müssen die 103 Millionen Euro Dividende, die an die Anteilseigner des Rheinmetall-Konzerns ausgeschüttet werden sollen, abgeschöpft und in das Gesundheitssystem umgeleitet werden«, so Carola Palm. Jüngst hatte Rheinmetall angekündigt, die entsprechende Summe als Dividende für 2019 auszugeben.

Auch sonst läuft das Rüstungsgeschäft weiter auch Hochtouren. Die Bundesregierung genehmigte kürzlich umfangreiche Waffenexporte unter anderem nach Ägypten, Israel und Katar. Seit Anfang 2019 hatte sie Rüstungsexporte für mehr als 1,2 Milliarden Euro an die Länder der von Saudi-Arabien geführten Kriegsallianz im Jemen gebilligt. Und trotz der Pandemie gab Bundesaußenminister Heiko Maas vor wenigen Tagen noch bekannt, weiter die Militärausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigern zu wollen.

Aus Sicht der Antimilitaristen angesichts der Coronakrise eine dreiste Position. »Rheinmetall Entwaffnen« fordert eine gesellschaftliche Diskussion darüber, wie nun die Rüstungskonzerne auf eine zivile Produktion umgestellt werden können. »Die Produktion von Gütern muss dem Wohlergehen der Bevölkerung verpflichtet sein«, erklärte der Bündnissprecher Daniel Seiffert. Das sei der Weg aus der Krise.

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