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Große Frage: Was jetzt?
Kunst hilft beim Überleben, doch den Künstler*innen hilft nur Geld
Schon zwei Wochen nach dem Lockdown war das »about blank« ein Museum. Denn die Plakate und Flyer darin waren veraltet, obwohl sie für Veranstaltungen in der Zukunft warben. So empfand es Nadine Moser, als sie in dem Club in Berlin-Friedrichshain als DJ auflegte, im Rahmen von unitedwestream.berlin, dem Krisenparty-Projekt der Berliner Clubs im Internet.
Sie stand da wie immer und spielte ihre Platten im Dunkeln, nur war kein Publikum vor ihr im Raum. Sehr strange. Und als DJ hatte sie eine eigene Toilette – »das gab es noch nie!«, erzählte sie am Mittwochabend auf der »Roten Kulturcouch« des Münzenberg-Forums, die ebenfalls erstmals im Internet stattfand, als Stream. Thema dieser Edutainment-Talkshow des Berliner Kultursenators Klaus Lederer (Linkspartei) war »Kultur trotz und nach Corona«. Neben Moser waren die Schauspielerin und Regisseurin Katharina Thalbach und Danilo Vetter, Bibliothekschef in Berlin-Pankow, zugeschaltet. Alle vier guckten von zu Hause aus in ihre Cams und erinnerten dabei an die vier Beatles auf dem »Let it be«-Cover.
»Die Medien sind noch da, aber nicht die Menschen«, beschrieb Danilo Vetter die Lage in der Bibliothek, auch wenn die Online-Ausleihe um 100 Prozent gestiegen sei. Er berichtete von Kolleg*innen, die sich freiwillig beim Gesundheitsamt gemeldet haben, um beim Telefonservice zu helfen. Andererseits räumte er ein, im öffentlichen Dienst privilegiert zu sein: Das Gehalt läuft weiter, und man hat nun Zeit, die Geschichte der eigenen Bibliothek zu erforschen. Thalbach berichtete, wie sie eine Woche vor der Premiere ihr Agatha-Christie-Stück »Mord im Orientexpress« canceln musste. Es ist die teuerste Produktion des privaten Ku’damm-Theaters. »Wir haben keine Sponsoren, nüscht, aber wir hatten einen klasse Vorverkauf.« Oh Mann.
Was ist eigentlich »systemrelevant?«, wollte Moser wissen, und Thalbach sagte: »Kunst hilft beim Überleben, immer.« Aber wenn man dafür kein Geld bekommt, eben nicht den Künstler*innen. Klaus Lederer fragte sich: »Wie lange sitzt man rum und wartet? Wann macht man was ganz anderes?« Moser meinte, sie mache was anderes, wenn kein Grundeinkommen kommt, denn »die große Frage ist: Was jetzt?« Für Thalbach ist das »Nicht-planen-können-Müssen« das größte Problem.
Lederer weiß, dass man das weder mit Solidaritätsaufrufen noch mit Spenden lösen kann. Er formulierte es so: »Die Zeit läuft ab, aber wir brauchen Zeit, etwas zu entwickeln.« Der Berliner Senat versuche zu helfen, stoße aber an »Kapazitätsgrenzen«; ohne den Bund gehe es nicht. Doch wenn der den Künstler*innen nur Hartz IV anbietet, wird er sie nicht retten. Lederer will anders diskutieren, zum Beispiel das bedingungslose Grundeinkommen.
Auch die Kultusministerkonferenz geht davon aus, »dass sich die wirtschaftliche Lage der Kulturschaffenden und auch der Kultureinrichtungen weiter verschärfen wird«, heißt in einem neuen Schreiben an Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und die Minister für Finanzen und Wirtschaft Olaf Scholz (SPD) und Peter Altmaier (CDU). Damit dürften Soforthilfen ihre Wirkung verlieren, der Druck steigen und »die Wahrscheinlichkeit von existenzbedrohenden Zuständen in öffentlich nicht geförderten Kultureinrichtungen zunehmen«. Die Länder fordern mehr Einsatz vom Bund. »Es bedarf weiterer gemeinsamer Anstrengungen, um eine drohende Verarmung der Kunst- und Kulturlandschaft nach der Corona-Krise zu verhindern.«
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