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Jugendliche besetzen Haus im Westend
Am Branitzer Platz 3 sollte ein neues Jugendprojekt entstehen / Räumung nach fünf Stunden
Während die Sicherheitskräfte kurz vor dem Ersten Mai gespannt nach Friedrichshain-Kreuzberg blicken, hat eine Gruppe Jugendlicher am Donnerstagmorgen um neun Uhr in Charlottenburg-Wilmersdorf ein leerstehendes Haus besetzt. »Während Berlin immer unbezahlbarer für Jugendliche, Geringverdiener*innen und gesellschaftlich Benachteiligte ist, gibt es trotzdem sehr viel Leerstand in der Stadt. Es ist besonders während dieser Pandemie verantwortungslos, Wohnraum leer stehen zu lassen, der von Menschen gebraucht und genutzt werden könnte«, teilte die Gruppe Brani03 am Donnerstagmorgen mit.
Seit 15 Jahren steht das Haus der Gruppe nach leer, die Besetzer*innen wollten es gemeinsam mit der Nachbarschaft einer neuen Nutzung zuführen. »Wir wollen daraus ein Jugendprojekt machen, weil es im Westen der Stadt keine selbstverwalteten Räume für Jugendliche gibt«, sagt ein Sprecher der Gruppe, der sich Charlie nennt, gegenüber »nd«. Alle vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen im Rahmen der Corona-Verordnung seien eingehalten worden.
Gegen 14 Uhr wurden die Besetzer*innen von der Polizei allerdings bereits wieder geräumt. »Die Eigentümer*innen und die Polizei hatten es eilig. Schon nach 5 Stunden ist die Berliner Polizei gewaltsam mit Rammböcken in die Villa am Branitzer Platz 3, in Neu-Westend, eingedrungen«, so die Besetzer*innen. Insgesamt elf Personen seien von Einsatzkräften aus dem Haus geführt und wegen Hausfriedensbruchs angezeigt worden, bestätigte ein Polizeisprecher dem »nd«. »Das während COVID-19 geräumt wird ist ein Skandal, genauso wie 15 Jahre lang ein Haus leerstehen zu lassen«, findet eine Besetzerin, die sich Zora nennt.
Die Aktion ist auch eine Solidaritätsaktion mit den räumungsbedrohten Projekten Liebig34, Potse und Drugstore. Die Entscheidung des Berliner Landgerichts zur Räumungsklage gegen das anarcha-queerfeministische Hausprojekt in der Liebigstraße 34 war ursprünglich für diesen Donnerstag angesetzt, vergangene Woche aber auf den 3. Juni verschoben worden. »Die Liebig34 ist einer der letzten Orte in Berlin, die einen hierarchiefreien Schutzraum bietet für alle Menschen die Zuflucht suchen vor den Unterdrückungsmechanismen einer männerdominierten Gesellschaft«, so die Besetzer*innen.
Aus den Vorgängen rund um die Jugendzentren Potse und Drugstore habe man gelernt, »dass sich der Berliner Senat einen Dreck um die Bedürfnisse junger Menschen schert«. Um selbstverwaltete Jugendzentren zu erhalten, seien Besetzungen »das einzige effektive Mittel«. »Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als in leerstehende Häuser einzuziehen, wenn die Politik uns Jugendlichen keine andere Möglichkeit gibt, effektiv für selbstverwaltete Räume zu kämpfen«, so Sprecher Charlie. Die Mietverträge der beiden ältesten Jugendclubs in Schöneberg waren Ende 2018 ausgelaufen, neue Räume wurden bislang vergeblich gesucht. Die Potse ist seitdem besetzt, eine Entscheidung im laufenden Räumungsprozess ist auf den 8. Juli angesetzt. Bis dahin wollen die Jugendlichen schon mal Fakten schaffen: »Auch wenn wir jetzt geräumt wurden, werden wir uns wieder organisieren und so lange in neue Häuser einziehen, bis wir unseren Traum von einem selbstverwalteten Jugendprojekt umsetzen können.«
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