Kein Rettungsschirm in Sicht
Während Grüne und Linke nach neuen finanziellen Hilfen für Eltern Ausschau halten, will die Große Koalition lediglich das Elterngeld anpassen
»Wer glaubt, dass Homeoffice und Kinderbetreuung zusammengehen, der hat entweder Homeoffice oder Kinderbetreuung nicht verstanden«, schreibt die Bundeselternvertretung der Kita-Kinder auf ihrer Website. Der Satz stammt von Mitte März, als die Einrichtungen gerade geschlossen wurden. An Aktualität hat er nichts verloren. Der überwiegende Teil der Kinder muss noch immer zu Hause betreut werden. Die Notbetreuung wurde in allen Bundesländern bislang nur marginal ausgeweitet.
»Die aktuelle Situation ist für Kinder, Jugendliche und Familien kaum noch tragbar, die unklaren Perspektiven für die Zukunft verunsichern und bedrücken«, schrieb die Vizevorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, Josefine Paul, in einem Brief an den Familienminister Joachim Stamp (FDP). Die Grünen im NRW glauben nicht daran, dass der pandemiebedingte Ausnahmezustand schon bald überwunden sein wird. »Wir werden noch monatelang keinen Normalbetrieb in den Kitas ermöglichen können. Wegen der Abstandsregeln fehlen Räume, vielerorts dürfte auch das Personal nicht vollständig zur Verfügung stehen.« Zu dieser Auffassung kommt der Chef der NRW-Grünen, Felix Banaszak. Er blickt nach Baden-Württemberg und Bayern, wo erweiterte Betreuungsgemeinschaften möglich sind. Familien können sich dort zusammentun und die Betreuung untereinander aufteilen. Dafür können sie auch Räume in Jugendzentren nutzen. Banaszak möchte, dass auch in Nordrhein-Westfalen für eine solche pragmatische Betreuung rechtliche Voraussetzungen geschaffen werden.
Zuletzt ist auch der Ruf nach finanziellen Hilfen für Familien wieder lauter geworden. Sozialverbände fordern einen Rettungsschirm, die Linken und Grünen ein »Corona-Elterngeld«. Diese Vorschläge sehen einen rechtlichen Anspruch vor, um die Arbeit reduzieren oder unterbrechen zu können, ohne dafür in eine finanzielle Notlage zu geraten. Unabhängig voneinander haben beide Oppositionsparteien einen Entwurf in den Bundestag eingebracht, worüber am Donnerstag abgestimmt wird. Die Linke möchte Eltern unabhängig von ihrer Familienkonstellation bis zum Ende der Epidemie ermöglichen, »ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder auszusetzen und dazu eine Lohnfortzahlung zu erhalten«. Diese solle für die ersten sechs Wochen bei 100 Prozent der Bezüge liegen.
Die Sonderregelung im Infektionsschutzgesetz für eine beschränkte Lohnfortzahlung sei »schon immer falsch« gewesen, sagte der Bundesgeschäftsführer der Linken, Jörg Schindler. Diese sieht eine Lohnfortzahlung nur für sechs Wochen vor, Mitte Mai endet die Frist. Für Schindler ein Zeichen dafür, dass die Bundesregierung die Coronakrise anfangs unterschätzt habe. Eine Korrektur hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bereits angekündigt. »Eltern müssen Sicherheit haben - deshalb schaffen wir eine Anschlussregelung«, erklärte er vor nunmehr einer Woche.
Druck auf die Bundesregierung übt auch der Sozialverband VdK aus, der auf eine Entfristung der Lohnersatzzahlungen dringt. »Wenn die meisten Kinder und Jugendlichen nicht wieder in die Kita oder in die Schule gehen können, fragen wir uns, wo der Rettungsschirm für die Eltern bleibt«, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. Sie fordert, dass der Anspruch von bislang 67 Prozent auf 80 Prozent des entgangenen Nettoeinkommens erhöht wird. Bislang ist die Lohnersatzzahlung mit erheblichen Auflagen verbunden. Der VdK verlangt daher eine vereinfachte Handhabung. So müsse der von den Eltern zu erbringende Nachweis entfallen, dass es keine andere »zumutbare Betreuungsmöglichkeit« gebe, heißt es in einem Positionspapier des VdK. Die Leistung sollte außerdem auch während der Kita- und Schulferien gelten. Und schließlich sollten Eltern vom Kündigungsschutz profitieren, wenn sie die Entschädigungsleistung erhielten.
Die Grünen wollen diese möglichen Ersatzzahlungen nach dem Infektionsgesetz zu einem »Corona-Elterngeld« weiterentwickeln, um einen verlässlichen Ausgleich für die gesamte Zeit der Pandemie gewährleisten, wie Grünen-Fraktionsvize Katja Dörner erklärte. Dabei sollten - ebenso wie es der VdK fordert - die Hürden für die Beantragung gesenkt werden. Die Arbeit im Homeoffice eines Elternteils solle etwa nicht mehr als Betreuungsoption gewertet werden, wie es derzeit gehandhabt wird.
Dass diese Forderungen umgesetzt werden, ist aber nicht absehbar. Die Große Koalition legt im Plenum nämlich den Fokus auf einen andern Schwerpunkt: Sie will das Elterngeld anpassen. »Zeiten der Kurzarbeit wegen der Corona-Krise werden nicht dazu führen, dass das Elterngeld niedriger ausfällt, als von den werdenden Eltern kalkuliert«, erklärte Nadine Schön, familienpolitische Sprecherin der CDU.
Dem Entwurf der Koalition zufolge sollen die Lohnersatzleistungen der Eltern nicht die Höhe des regulären Elterngeldes reduzieren. Außerdem soll eine größere Flexibilität bei der Inanspruchnahme der Elterngeld- und der Partnerschaftsmonate für Eltern in systemrelevanten Berufen geben.
Anstatt nach großen, neuen Regelungen zu suchen, bleibt sich die Große Koalition in der Familienpolitik treu und passt bestehende Gesetze an die Corona-Zeit an. Auch für den Kinderzuschlag gibt es bereits seit dem 1. April Erleichterungen, damit Eltern davon profitieren können, die in Kurzarbeit gehen mussten.
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