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Wie eine Neutronenbombe
Für Kunst und Kultur bleibt im »Konjunkturpaket« der Bundesregierung weniger als ein Prozent
Der Berg kreißte drei Monate lang - und gebar, nun ja, für die Kulturinstitutionen durchaus einen kleinen Wal, für die Kulturschaffenden aber tatsächlich wenig mehr als eine Maus.
Die Bundesländer haben in der Pandemie während des Lockdowns mehr oder weniger konstruktive und sinnvolle Soforthilfen für die freie Kulturszene und die vielen Künstler*innen, Musiker*innen und Kulturarbeiter*innen zur Verfügung gestellt. Allen voran der Berliner Kultursenator mit dem weitestgehenden Programm aller Länder: Einer Art bedingungsloser Grundsicherung in Höhe von 5000 Euro, während das ungleich reichere Bayern maximal 3000 Euro zur Verfügung stellte, und das auch nur unter zum Teil wirklichkeitsfremden Bedingungen.
Vom Bund war in der Zeit wenig zu hören. Im ersten großen »Covid19-Beschlusspaket« der Koalition kamen Kunst und Kultur nur im Anhang vor, irgendwo in den Schließungsanordnungen für Gastronomie und Bordelle. Und die Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters (CDU), erging sich monatelang in Sonntagsreden, wie wichtig doch die Kultur sei, wie ach so sehr die ihr am Herzen liege. Das waren die schönen Worte einer Politikerin, die sonst gern mal in Hauruckmanier über Nacht und Hand in Hand mit dem umstrittenen und mittlerweile zurückgetretenen SPD-Haushälter und Bundeswehroberst Johannes Kahrs Hunderte Millionen für Prestigebauten locker macht (zuletzt für das Berliner Museum der Moderne, das ursprünglich 130 Millionen Euro kosten sollte und der großen Koalition Ende 2019 in nächtlicher Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit plötzlich 450 Millionen wert war) und die das Kreuz auf dem Humboldtforum, diese Insignie der Intoleranz mit der Dankesinschrift zugunsten des Warenhauskönigs Otto, zum Symbol für »Nächstenliebe, Freiheit, Weltoffenheit und Toleranz« verklärt.
Nun also die Endlich-Hilfe der Bundesregierung: ein »Kulturinfrastrukturfonds«, für den eine der 130 Milliarden des »Konjunkturpakets« zur Verfügung gestellt wird, also 0,77 Prozent. In den mageren fünf Zeilen, die die große Koalition in ihrem 15-seitigen Programm für »Kunst und Kultur« übrig hat, geht es um die »Wiederaufnahme ihrer Häuser« und, reichlich nebulös, um die »Erhaltung und Stärkung der Kulturinfrastruktur« sowie die »Förderung alternativer, auch digitaler Angebote«.
An anderer Stelle ist noch von Überbrückungshilfen für »Clubs und Bars« und »Unternehmen der Veranstaltungslogistik« für die Monate Juni bis August die Rede. Was das genau heißen soll, bleibt offen - man kann es sich aber unschwer ausmalen: Almosen wohl.
Kein Wort über die Venues, also die Konzertsäle der Zeitkultur, kein Wort über unabhängige Konzert- und Tourneeveranstalter, und auch die Künstler*innen, Musiker*innen und Kulturarbeiter*innen kommen gar nicht erst vor. Die Zehntausenden soloselbstständigen Musiker*innen und Künstler*innen, aber auch die über 100 000 »frei« beschäftigten Arbeitskräfte der Kultur (von Bühnenarbeiter*innen und Stagehands bis zu Security- und Tonleuten) werden von CDU, CSU und SPD in den Hartz-IV-Bezug gezwungen.
Die vermeintlichen Bundeshilfen für Soloselbstständige sind bekanntlich keine, sie dienen nur der Finanzierung von Betriebskosten - dummerweise müssen Kulturschaffende aber nicht nur Betriebskosten finanzieren, sondern müssen auch von etwas leben. Monika Grütters ist so etwas wie die Neutronenbombe der deutschen Kulturpolitik - sie finanziert die Gebäude und Institutionen der etablierten Kultur, und darunter bevorzugt die teuren Leuchtturmprojekte. Die Menschen jedoch, also all die Kulturschaffenden, die für die Lebendigkeit und die Vielfalt der Kultur einstehen, werden die Corona-Ära kaum überleben - sie drohen, zum Kollateralschaden der bundesdeutschen Kulturpolitik zu werden. Da geht es ihnen wie den Pflegekräften, die im »Maßnahmenpaket« der Bundesregierung auch nicht vorkommen. Sie alle müssen zusehen, wie sie sich künftig vom Töpfeschlagen auf den Balkonen und von warmen Worten der Kanzlerin, des Finanzministers und der Staatsministerin für Kultur ernähren können.
Berthold Seliger ist Konzertveranstalter und Autor.
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