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Nicht nur Trump
Die USA können punktuelle Kooperation ihrer Verbündeten mit Gegnern wie Russland nicht zulassen, sagt Jörg Kronauer
»So geht man nicht mit Partnern um!« Schwer verärgert war Anfang vergangener Woche Johann Wadephul, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, über die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, er wolle die Zahl der fest in Deutschland stationierten US-Militärs um mehr als ein Viertel reduzieren. Der nun womöglich bevorstehende Abzug der Soldaten an sich wäre für die Bundesrepublik kein wirklich ernstes Problem. Unangenehme Einbußen im lokalen Geschäft an den Standorten der US-Truppen, außerdem eine etwas geringere Flexibilität bei gemeinsamen Manövern: Das ist aus der Perspektive der Berliner Politik gewiss nicht erfreulich, aber auch kein Beinbruch. Was in der deutschen Hauptstadt wirklich schmerzt, ist etwas anderes: dass Washington unter Trump Beschlüsse, die Deutschland betreffen, nicht mehr mit Berlin abstimmt, sondern sie einfach verkündet. Mitsprache gibt es nicht.
Und nicht nur das. »Das ist ein feindlicher Akt gegen Verbündete«: Joachim Pfeiffer, Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag für Energiepolitik, protestierte lauthals, als vor rund zehn Tagen bekannt wurde, dass Washington seine Sanktionen gegen die Erdgaspipeline Nord Stream 2 erneut ausweiten will, und zwar rückwirkend und auch auf deutsche Firmen. Wer die Fertigstellung der letzten 160 Kilometer der Leitung wie auch immer unterstützt, kann dann von den USA mit Zwangsmaßnahmen belegt werden. Möglicherweise trifft es sogar deutsche Behördenvertreter, die an Überprüfungsmaßnahmen und Genehmigungsverfahren beteiligt sind. Damit würde Washington nicht nur die wohl zehn Milliarden Euro, die inzwischen in den Bau der Pipeline geflossen sind, kühl in der Ostsee versenken. Es würde zudem ein strategisches Vorhaben der deutschen Energiepolitik zerstören. Vor allem aber würden die USA damit Instrumente gegen Deutschland anwenden, mit denen sie sonst China, Russland oder Iran bekämpfen: Bündnispolitische Rücksicht - das war einmal; heute ist auch ein widerspenstiger Verbündeter ein Feind.
Sind das Einzelfälle, die sich ausbügeln lassen, spätestens dann, wenn US-Präsident Donald Trump - wann auch immer - aus dem Weißen Haus ausgezogen ist? Nein. Streit um den nach wie vor gewaltigen deutschen Handelsüberschuss und um den angeblich zu niedrigen deutschen Wehretat, Machtkämpfe um die Iranpolitik, um die Nutzung von Huawei-Technologie zum Ausbau der 5G-Netze in Europa: Die transatlantischen Konflikte nehmen kontinuierlich zu. Und das beileibe nicht nur, weil der jetzige Boss in Washington mit den Methoden der New Yorker Immobilienmafia regiert. Die Gewichte in Weltwirtschaft und -politik verschieben sich unaufhaltsam in Richtung China; zum ersten Mal seit 1990 ist die globale US-Hegemonie ernsthaft bedroht. Will Washington die Nummer eins bleiben, muss es handeln, und zwar jetzt. Es muss - so sehen es Machtstrategen - globale und regionale Rivalen von China über Russland bis Iran niederhalten. Es muss zudem die eigenen Reihen schließen: Kann man es zulassen, dass die eigenen Verbündeten punktuell mit den Rivalen kooperieren, während man selbst sie mit allen Mitteln bekämpft und der eigene Machtvorsprung rapide schmilzt?
Die Antwort liegt nahe. Und auch wenn in Einzelfällen wie der Frage der US-Truppenreduzierung in Deutschland Trump auf Widerspruch in Washington stößt: Es ist kein Zufall, dass die wirklich wichtigen außenpolitischen Entscheidungen in der US-Hauptstadt längst mit überparteilichen Beschlüssen des Kongresses gefällt werden, darunter auch diejenige, die eventuell gar Sanktionen gegen deutsche Behörden möglich macht. In Berlin ruft das freilich - gleichfalls in wachsendem Maße überparteilich - empörten Unmut hervor, und dies nicht nur, weil die Vereinigten Staaten strategisch bedeutende, kostspielige Projekte wie Nord Stream 2 torpedieren. Letztlich steht das Insistieren der USA auf einem Schulterschluss im globalen Einflusskampf auch den Bestrebungen Berlins und der EU entgegen, »strategische Autonomie« zu erreichen, also zur eigenständigen Macht in der Weltpolitik aufzusteigen, nach Möglichkeit zu einer Macht, wie es deutsche Politiker zuweilen formulieren, »auf Augenhöhe« mit Washington. Gibt keine der beiden Seiten aus freien Stücken nach - und darauf deutet gegenwärtig nichts hin -, dann stehen dem transatlanischen Verhältnis wohl erschütterungsreiche Zeiten bevor.
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