Immer weniger Frauen in der Politik

Trotz Quotenregelungen einzelner Parteien sind Männer nach wie vor überrepräsentiert

  • Antonia Groß
  • Lesedauer: 3 Min.

»Alle politischen Entscheidungen für Berlin werden von doppelt so vielen Männern wie Frauen getroffen«, erklären Helga Lukoschat und Paula Schweers. Die beiden Wissenschaftlerinnen von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) sind Autorinnen der Studie »Frauen Macht Berlin!«. Am Mittwoch stellten sie die von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebene Arbeit in einer online durchgeführten Präsentation vor.

Es ist gerade mal zwei Jahre her, da jährte sich die in zähen Kämpfen erstrittene Einführung des Frauenwahlrechts in der BRD zum 100. Mal. Dieser Moment markiert eine wichtige Errungenschaft in der Frauenrechtsbewegung. Entgegen liberaler Ideen stellte sich dadurch jedoch keine reale gleichberechtigte Beteiligung und Repräsentation von Männern und Frauen in politischen Ämtern ein.

Jetzt dokumentiert die Studie die Ungleichverteilung politischer Ämter. So sitzen im Abgeordnetenhaus aktuell nur rund 33 Prozent weibliche Parlamentarier. Damit liegt Berlin auf Platz fünf im Bundesvergleich. Seit 2006 sinkt der Anteil von Frauen in den meisten landespolitischen Gremien und kommunalen Vertretungen. Einer der Gründe liegt laut Verfasserinnen in der Parteienlandschaft.

Wenig überrascht dabei das Ergebnis, dass der Einzug der AfD seinen Teil zur Überrepräsentanz männlicher Abgeordneter beitrug. In der Fraktion lag er 2016 bei 88 Prozent. Die Partei schließt in ihrer Satzung gar die interne Organisierung weiblicher Parteimitglieder aus. Doch auch für die CDU sitzen heute nur drei Frauen neben 27 Männern im Abgeordnetenhaus. Deshalb sind laut Studie auch das Wahlrecht und die Verteilung der Direktmandate mitverantwortlich. Linke, Grüne und SPD quotieren zwar ihre Landeslisten mit 50 beziehungsweise mindestens 40 Prozent (SPD), doch in der CDU gibt es nur ein unverbindliches Quorum von einem Drittel. FDP und AfD lehnen die Quotierung gänzlich ab. »Auch in den Nominierungen schlagen sich gesellschaftliche Machtstrukturen nieder«, fasst Helga Lukoschat den Ist-Zustand zusammen.

Um die Zugänge zu politischen Ämtern für Frauen zu erleichtern, fordern die Wissenschaftlerinnen ein Paritätsgesetz für Berlin. Sie empfehlen die abwechselnde Aufstellung weiblicher und männlicher Nominierter auf den Wahllisten. Weiterhin könnten die 78 Wahlkreise halbiert werden, um beispielsweise das sogenannte Duo-Modell umzusetzen. Darin hätten Wähler*innen drei Stimmen: eine für je eine Frau und einen Mann aus jedem Wahlkreis und eine Zweitstimme. Als Sanktion könnten Listen zurückgewiesen werden. Entwürfe für Berlin liegen von der Linken und den Grünen seit 2019 vor.

»Wenn wir Parität im Parlament hätten, wären das 80 Frauen. Dass wir die nicht finden, kann ich mir nicht vorstellen«, sagt Helga Lukoschat.

Auch einige wenige erfreuliche Ergebnisse gibt es: Die Mehrheit der Senator*innen ist weiblich, fünf von zwölf Bezirksbürgermeister*innen sind Frauen. In den Bezirksverordnetenversammlungen liegt der Frauenanteil im Schnitt bei 39 Prozent. Daraus formulieren die Verfasserinnen ein wichtiges Argument gegen Quoten-Zweifler*innen: »Da die Kommunalpolitik oft das Sprungbrett in die Landespolitik darstellt, steht tendenziell ein ausreichend großer Pool an Kandidatinnen zur Verfügung.«

Neben den genannten Defiziten weist die Studie auch auf strukturelle Hürden hin: geschlechtsspezifische Rollenbilder, Alltagssexismus und die Verteilung von Ressourcen wie Zeit beziehungsweise Freizeit für politisches Engagement. Auch ein Umdenken in der Sitzungskultur sei erforderlich. Instrumente wie quotierte Redelisten begrenzen dominantes Redeverhalten. Derlei Werkzeuge gebe es zwar, jedoch lange nicht flächendeckend, so Lukoschat

Spezifische Hürden, denen Frauen aus marginalisierten Kontexten begegnen, finden in der Studie keine Erwähnung. Benannt wird zwar eine Forderung zur »Wahrung der Rechte von Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen« - konkrete Handlungsempfehlungen hierzu gibt die Studie nicht; es bleibt bei einem Absatz mit Verweis auf die Paritätsgesetze in Brandenburg und Thüringen. Dort gilt seit 2019 die Verpflichtung, Landeslisten abwechselnd männlich und weiblich zu besetzen. In Brandenburg müssen sich laut Gesetz als divers eingetragene Personen für eine Liste entscheiden - in Thüringen können sie auf allen Plätzen kandidieren.

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