Und dazwischen: 1,50 Meter Abstand
Das Hofkino im FMP1 lädt wieder ein und bietet ein vielfältiges Programm
Jede Vorstellung ist gut besucht, viele sind sogar ausverkauft. Dann ist jeder Stuhl belegt - doch dazwischen bleibt 1,50 Meter Abstand. Wie fast an jedem Ort in dieser Zeit. Es ist nun schon das sechste Jahr, dass das sympathische Hofkino im Innenhof vom Franz-Mehring-Platz 1 öffnet. Doch obwohl inzwischen ein eingespieltes Team für die Unterhaltung und Verkostung der Gäste zuständig ist, ist in diesem Jahr einiges anders.
Die Kulturlandschaft ist von der Pandemie besonders hart getroffen. Open-Air-Kinos haben dabei vergleichsweise noch Glück: Da sie ihre Vorstellungen unter freiem Himmel zeigen, dürfen sie jetzt im Sommer, während ihrer einzigen Saison, öffnen. Gott sei Dank, denn die Nachfrage ist groß. Zu lange waren die Menschen allein zu Hause, unterhalten durchs Fernsehprogramm und Streaming-Plattformen. Nun ist endlich wieder Zeit für richtig gute Filme auf großer Leinwand: Die Auswahl im kleinen Kino ist erlesen und vom »b-ware!-ladenkino« liebevoll zusammengestellt. Zeit und Abwechslung genug, um für ein paar Stunden einzutauchen in eine andere Welt, mit nichts als dem Himmel über sich.
Franz-Mehring-Platz 1
10243 Berlin
Anfahrt:
S Ostbahnhof
U Weberwiese
Bus 240/347
Programm: Das komplette Programm sowie Infos zu den Hygiene- und Abstandsregeln finden Sie online unter www.hofkino.berlin. Hier können Sie auch einen Newsletter mit allen Neuigkeiten rund um das Hofkino abonnieren.
Eine besondere Form der Isolation gab es im Hofkino schon immer - weniger durch Abstand zu Nebenmann oder -frau, sondern wegen der Kopfhörer. Aus Lärmschutzgründen unumgänglich, haben sie sich inzwischen etabliert und ihre Fans gewonnen. Gerade bei großen, bombastischen Musikfilmen, die es auch in dieser Saison gibt, machen die Kopfhörer Sinn. So kann man sich voll und ganz dem Klang hingeben, wird zu keiner Zeit durch Nebengeräusche abgelenkt. Kein Flugzeug, kein Tütenrascheln - nichts stört.
Einmal war ein junges Pärchen mit einem Baby zu Gast, das vom Film offenbar wenig begeistert war und während der Vorstellung anfing zu weinen. Doch keinen der »schallgeschützten« Besucher störte das, und so konnten Mama und Papa ganz entspannt ihr Kind in den Schlaf wiegen.
Besonders das Team vom Hofkino erfreut sich an den Reaktionen der Zuschauer unter Kopfhörern, denn für dieses sind deren Emotionen ungefiltert wahrnehmbar. Wenn eine Komödie gezeigt wird, ist es spannend zu sehen, an welchen Stellen gelacht wird - bei »Bohemian Rhapsody« dagegen, wer ein echter Fan und textsicher ist.
Auch sonst bleibt dieses Jahr fast alles beim Alten: Es gibt Liegestühle, Decken und Regenponchos für die Hartgesottenen, eine Auswahl an Snacks und Getränken. Ergänzt wurde das Angebot um Einmalhandschuhe und Masken. Darüber hinaus achtet das Team vom Kino darauf, dass sämtliche Hygienemaßnahmen gewissenhaft eingehalten werden. Ein Wegeleitsystem, mehrere Hinweisschilder, kontaktloses Bezahlen und die persönliche Erinnerung vom Personal sorgen dafür, dass alle aufeinander achten und sich und andere schützen, um so einen Abend lang der Realität zu entfliehen.
Und dabei kommt jeder auf seine Kosten: Cineasten, Touristen, Familien, Anwohner aller Generationen und Nicht- Muttersprachler sind willkommen. Komödien, Dramen, Dokus, Animes - alles ist dabei, häufig im Original mit Untertiteln. Manchmal spielen Bands vor dem Film, manchmal wird der Kinoabend zu einer politischen Veranstaltung. Wie im letzten Jahr, als während einer brasilianischen Tagung eine Doku über den Kongressabgeordneten Jean Wyllys gezeigt wurde, der live vor Ort war und wie ein Popstar gefeiert wurde.
Solche Events bieten sich an, wenn das Kino inmitten eines vielseitig genutzten Gebäudes liegt. Auf den ersten Blick ist das Bürohaus FMP1 keine typische Kulturstätte Berlins, dennoch findet hier seit Jahren eine Vielzahl öffentlicher Veranstaltungen statt: Von Konferenzen über Ausstellungen bis hin zu musikalischen Festen wird der Friedrichshainer Westkiez mit interessanten Angeboten bespielt.
Für den Innenhof lag es demnach förmlich auf der Hand, ihn in den Sommermonaten als cineastische Spielstätte zu nutzen. Da ein solches Vorhaben doch recht umfangreich ist, konnte mit dem »b-ware!-ladenkino« ein in Friedrichshain etabliertes Indiekino als professioneller Partner gewonnen werden. Nach Prüfung der technischen Realisierung startete 2015 die erste Kinosaison. Seitdem kamen mehrere Tausend Gäste zum Sonnenuntergang in den Innenhof, um ein besonderes Filmerlebnis zu genießen.
Dank Kooperationspartnern aus dem Haus, wie der Tageszeitung »neues deutschland«, der Rosa-Luxemburg-Stiftung oder der DEFA-Stiftung bekommen Kinogäste ab und an ganz besondere Einblicke in die Welt des Films geboten - sei es durch den Besuch von Regisseuren oder Protagonisten, denen sie Fragen stellen können und die Autogramme geben. Oder sie haben die Möglichkeit, Helden ihrer Kindheit persönlich zu treffen. Als der DDR-Chefindianer Gojko Mitić als Ehrengast zum Film »Weiße Wölfe« kam, ließen sich seine Fans auch nicht von einem plötzlichen Platzregen vertreiben. Fan bleibt Fan, egal bei welchem Wetter!
Diese besonderen Erlebnisse gefallen den Gästen des Hofkinos, ob sie nun zum ersten Mal oder seit Jahren regelmäßig kommen. Über das aktuelle Programm werden Sie online, auf Social Media, per Aushang im Gebäude und durch Anzeigen im »nd« informiert. Und so werden sicher auch in diesem Sommer wieder zu jeder Vorstellung viele in das Hofkino strömen und einen entspannten und genussvollen Abend erleben.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.