Streit über den Umgang mit Gerhard Schröder

Ein Linke-Politiker lud Gerhard Schröder als Sachverständigen in einen Ausschuss ein. Genossen empört das

Dem Pipeline-Projekt Nord Stream 2 drohen neue Sanktionen von Seiten der US-Administration unter Donald Trump. Die hat kürzlich den Entwurf für ein entsprechendes Gesetz vorgelegt. Dessen Titel: »Protecting Europe’s Energy Security Clarification Act« (Gesetz zur Klarstellung des Schutzes von Europas Energiesicherheit), kurz PEESCA. Sein Inhalt sind Sanktionen gegen 120 am Bau der Erdgasleitung von Russland nach Deutschland durch die Ostsee beteiligten EU-Firmen, darunter 40 deutsche. Wegen bestehender US-Boykottmaßnahmen ruhen die Arbeiten an der fast fertiggestellten Pipeline schon seit Monaten.

Das Vorgehen der US-Regierung wurde am Mittwoch im Rahmen einer Expertenanhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestages zum Thema »Sicherung der Souveränität deutscher und europäischer energiepolitischer Entscheidungen« erörtert. Zu den geladenen Fachleuten gehörte Gerhard Schröder. Der ehemalige SPD-Bundeskanzler ist seit langem Lobbyist des russischen Gazprom-Konzerns. Der ist alleiniger Anteilseigner der Nord Stream AG, und der ehemalige SPD-Politiker ist deren Aufsichtsratsvorsitzender.

Pikant am Auftritt des Altkanzlers: Die Einladung an ihn kam von dem Linke-Abgeordneten Klaus Ernst, der auch Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses ist. Das sorgte in Ernsts Partei und vor allem bei seinem Fraktionskollegen Lorenz Gösta Beutin für Empörung. Beutin, sich seit langem für eine klimafreundliche Energiewende engagiert, erklärte am Dienstagabend, die Einladung von Schröder durch Ernst sei »ein unnötiges Eigentor, auf allen Ebenen falsch und an Peinlichkeit nicht zu überbieten«. Schröder sei der »Prototyp des Politikers, der die Seiten wechselt und seinen Einfluss nutzt für den klimaschädlichen Gewinn eines Unternehmens wie Gazprom«. Zudem, so Beutin, brauche man Informationen zum US-Sanktionsgesetz und dazu, wie die Souveränität Deutschlands gewährleistet bleibe, »nicht von einem Lobbyisten«, der »auch die Interessen des russischen Staates vertritt«.

Beutin hält das Vorgehen Ernsts zudem für illegitim. Dass er Schröder »ohne Rücksprache mit Fachpolitiker*innen wie mir als Energie- und Klimapolitiker der Fraktion« eingeladen habe, laufe allem zuwider, was im Linke-Programm stehe und sei ein »Affront für die Mehrheit ihrer Mitglieder«. Denn Schröder stehe auch »für den Wiedereinstieg Deutschlands in internationale Kriege, für das unsoziale Hartz-IV-System, für den skandalösen Niedriglohnsektor und Sozialdumping«.

Ernst findet die Kritik »absolut daneben«. Er habe Schröder eingeladen, weil dieser »viel zu Fragen der Souveränität Deutschlands beitragen« könne, sagte der der Deutschen Presseagentur. Es gehe um die Sache und nicht um Lobbyismus.

In den Online-Kommunikationsmedien zeigten sich indes viele Linke-Mitglieder empört über das, was sie als Hofierung des »Genossen der Bosse« und eines Vertreters der Industrie, die für ein Weiter-so mit der Verbrennung fossiler Energieträger stehen. Drastische Worte wählte der Klimaaktivist Tadzio Müller, Mitbegründer von »Ende Gelände«. Er sei »richtig wütend«, schrieb er auf Twitter.

In der Anhörung trafen die neuen US-Sanktionsdrohungen auf einhellige Empörung quer durch die Parteien. Und Gerhard Schröder forderte Gegensanktionen der EU, für die die Bundesregierung Druck machen müsse. Der Altkanzler wies zugleich den Vorwurf zurück, Nord Stream 2 gefährde die Versorgungssicherheit Deutschlands. Vielmehr sichere die Pipeline »durch die Bereitstellung zusätzlicher Gasmengen« stabile Energiepreise in der EU.

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Schröder bezeichnete das US-Sanktionsgesetz als »Angriff auf die EU-Wirtschaft« und »nicht hinzunehmenden Eingriff« in die EU-Souveränität. Mehr als 120 europäische Unternehmen, die an dem Projekt beteiligt sind oder waren, seien direkt von den Sanktionen betroffen, zahlreiche Jobs in Gefahr. Am Ende solle den Europäern das »teurere US-Flüssiggas« aufgezwungen werden, warnte Schröder. Ähnlich äußerte sich während der Anhörung Niels Annen, SPD-Staatsminister im Auswärtigen Amt.

Der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Schweriner Landtag, Karsten Kolbe, sagte derweil nach der Anhörung in Berlin, Nord Stream 2 sei für Europa, Deutschland und sein Bundesland »überaus wichtig«. Die Pipeline verringere »mögliche Abhängigkeiten beim Bezug von Erdgas«. Die Sanktionen sollten offenbar zur Sicherung einer »US-amerikanischen Monopolstellung«, so Kolbe. Zudem schlage Nord Stream eine Brücke zu Russland, was bitter nötig sei.

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